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Projekt taz.gazete – so lautet nun der Titel unseres neuen türkisch-deutschen Nachrichtenportals. EndlichWenn Worte nicht so gemocht werden

von Ali Çelikkan

Laut Shakespeare kann eine Rose ja so heißen, wie sie will, und duftet trotzdem lieblich. Erklären Sie das aber mal unseren türkischsprachigen LeserInnen! Als wir erstmals unser neues Projekt bekannt gegeben haben, eine Website, auf der täglich türkisch- und deutschsprachige Artikel zur aktuellen Lage in der Türkei erscheinen sollen, nannten wir es: taz.eksil. Sie haben den Namen gehasst! Eksil! Das bedeutet auf türkisch so viel wie: „Werde weniger!“

Das soll also heißen: Geh, leg dich ins Grab und stirb? Weil das Ende gekommen ist? Weil in der Türkei Demokratie und Justiz nur noch Worthülsen sind? Weil die, die einst Widerstand leisteten, alle ins Ausland, ins Exil gegangen sind und das Land nur noch ein großes Dschihadisten-Camp ist, das soll es doch heißen, nicht wahr? Nein, soll es nicht.

Nennen wir das Projekt eben „tazete“

Wie viele schlaflose Nächte habe ich verbracht, nachdem der Name taz.eksil bereits in Umlauf war. Es war nur ein Arbeitstitel, ein Fehler. Aber kein Problem, dachte ich, mir wird schon ein neuer Name einfallen, irgendwann auf der Toilette. Die Tage vergingen, und ich dachte nach.

Dann: Ich bin auf der taz-Weihnachtsfeier, in irgendeinem modernen Loft. Alle sind schon ein wenig angetrunken. Ich versuche mit möglichst vielen Leuten ins Gespräch zu kommen und von meinem Pro­blem zu erzählen. Wenn wir nur besoffen genug sind und wir vielleicht noch ein bisschen Gras hätten, dann könnten wir doch gemeinsam … puff. Wir schweifen ab. Falls uns nichts Besseres einfällt, nennen wir das Projekt eben tazete – eine Mischung aus „taz“ und dem türkischen Wort für Zeitung, „gazete“. So entscheiden wir es im Projektteam mit den Kolleg*innen Fat­ma Aydemir, Ebru Taşdemir, Can­set Içpınar und Elisabeth Kimmerle.

Der folgende Tag ist wieder von Verzweiflung geprägt. Dann soll es eben tazete sein. Aber Moment: Nicht, dass schon wer anders auf diesen Namen kam? Ich google nach tazete – gefunden. Tazete.com – ist ein AKP-nahes Medium. Auch das noch!

Die nächste Weihnachtsfeier, diesmal von der taz-Inlandsredaktion. Auch wenn ich sehe, wie genervt die Leute schon von meinem immergleichen Thema sind, ich habe kein anderes parat. Ein Kollege fragt: „Wie wäre es mit taz.Zukunft auf Türkisch?“: taz.gelecek. Das heißt taz.zukunft und gleichzeitig taz.kommt. Nicht schlecht. Der Sommer kommt. Die schönen Tage kommen. Wer kommt? taz.kommt. Das gefällt mir.

Am nächsten Tag im Projektteam: ein Veto nach dem andere. Ich drohe den Kolleg*innen: „Ich schmeiße mich gleich von diesem Balkon!“ Sie beruhigen mich, setzen mich in den Konferenzraum. Zu fünft brainstormen wir, tagelang. Am Ende steht wieder derselbe Name. Ich werde sauer. Wir einigen uns auf tazette mit doppel t. Ein schrecklicher Name, aber einprägsam, denken wir, ein Kompromiss, mit dem alle leben können. Fast alle – die Geschäftsführung und Chefredaktion – sind dagegen. Sie assoziieren das Wort mit „Schmonzette“ und „Pinzette“. Sie fanden taz.eksil viel besser, aber verstehen, dass das nicht geht. Sie wollen was anderes. Wir geben auf.

An dem Abend überlege ich zum letzten Mal. Mir fällt ein, wie mir jemand mal die Gründungsgeschichte der taz erzählt hatte. Der Name war damals wohl auch ein großes Politikum. Am Ende entschied man sich für dieses inhaltsleere Wort: taz. Sie hatten also vor 40 Jahren dasselbe Problem. Eine namenlose Zeitung. Wichtig ist sowieso der Inhalt, die Menschen, die Gedanken, die Geschichte. Und gerade in diesem Moment kommt ein Barış-Manço-Song im Radio, und ich glaube, es ist ein Zeichen. „Yaz dostum“, beginnen die ersten vier Zeilen immer wieder. „Yaz dostum“ heißt „schreib, mein Freund“. taz.dostum, das ist gut. Das bedeutet etwas.

Am nächsten Tag haben wir unsere finale, demokratische Abstimmung über den Namen mit der Geschäftsführung und der Chefredaktion. taz.dostum hat Fans, aber leider nicht genügend. Unser Projekt heißt nun taz.gazete, also taz.Zeitung. Ob ich den Namen mag? Nein. Aber ich muss nicht mehr darüber nachdenken und kann mich endlich aufs Schreiben konzentrieren. Denn am 19. Januar gehen wir online. Und wichtig ist vor allem der Inhalt, wie die Kolleg*innen vor 40 Jahren schon bemerkten.

Ali Çelikkan, 26, ist Mitarbeiter des neuen Projekts taz.gazete

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