Programmiererin über Open Spource: „Apple glaubt nicht an Einhörner“
Der freie Zugriff auf Quellcodes kann die Welt ein Stück weit gerechter machen, davon ist Allison Randal, Präsidentin der Open-Source-Initative, überzeugt.
taz am wochenende: Frau Randal, was hat Open-Source-Software mit Einhörnern gemeinsam?
Allison Randal: Tatsächlich einiges. Einhörner sind sehr selten und die Leute glauben, sie existierten gar nicht. Und bei Open-Source-Software denken viele Leute: Das funktioniert doch gar nicht, wie soll man damit Geld verdienen? Aber wenn sie erst einmal den richtigen Weg gefunden haben, sie zu nutzen oder zu entwickeln, dann stellt sich heraus, dass sie extrem wertvoll ist.
Wie würde eine Welt aussehen, in der es nur Open-Source-Programme gibt – also solche, deren Quellcode jeder einsehen, nutzen, ändern und weiterverbreiten darf ?
Es wäre eine Welt, in der Zusammenarbeit eine große Rolle spielt und die sehr innovativ ist, schneller in der Entwicklung. Benachteiligte Menschen, die etwa in Regionen ohne Technologievorsprung leben, hätten besseren Zugang. Es wäre ein Stück mehr Gleichheit.
Warum wäre die Entwicklung schneller?
Bei nicht offener Software ist es so: Jedes Unternehmen will am liebsten seine schönen Ideen für sich behalten. Das Problem ist aber: Das eine Unternehmen hat hier ein paar Ideen, das andere dort eine Lösung. Das sind kleine Steinchen. Wenn sie ihre kleine Ideen aber zusammenwerfen würden, dann könnte daraus etwas Großes entstehen.
Also geht es eigentlich nicht so sehr um Code wie um Ideen?
Ja und um Zusammenarbeit. Darum, den eigenen Horizont zu öffnen.
40, ist Software-Entwicklerin und Präsidentin der Open-Source- Initiative. Sie ist Mitgründerin der Floss-Stiftung, die Menschen aus unterschiedlichen Open-Source-Projekten vernetzten soll, und Mitglied der Free Software Foundation.
In Amsterdam gibt es ein Open-Source-Restaurant. Wer hier isst, bekommt das Rezept genauso wie die Bauanleitung für die Stühle. Ein Unternehmen wie Apple dagegen erlaubt Nutzern nicht mal, sein Gerät aufzuschrauben.
Unternehmen wie Apple haben das Einhorn noch nicht gefunden, die glauben immer noch, es existiert nicht. Sie nutzen zwar Open Source, ändern etwas, aber behalten es dann. Und das, obwohl Apple sein Geld nicht mit dem Verkauf von Software verdient, sondern mit anderen Dingen. Mit Hardware, mit Support, mit Service und Inhalten, etwa E-Books.
Mit Software-Patenten lässt sich auch Geld verdienen.
Ja, man dürfte Unternehmen wie Apple auf alle Fälle nicht mit dem Argument kommen, dass Open Source gut für die Gesellschaft ist. Das dürfte vielen Firmen klar sein, aber es interessiert sie nicht.
Sondern?
Es geht nur mit dem Geschäftsmodell. Kaum jemand kann heute noch am Verkauf von Software verdienen. Kunden geben zwar 2 Dollar für eine App aus – aber eben keine 200 mehr für ein Betriebssystem. Das alte Geschäftsmodell ist also schon mal gescheitert. Aber es gibt viele Fälle, in denen eine Firma mehr Vorteile von einer Veröffentlichung ihres Softwarecodes hätte als Nachteile.
Die Konferenz: Vom heutigen Samstag an trifft sich in Heidelberg die Community des offenen Betriebssystems Debian. Die Konferenz findet zum 15. Mal statt, das erste Mal in Deutschland.
Das System: Einen engen Verwandten von Debian kennen viele unter dem Namen Ubuntu. Das ist ein auch für Einsteiger geeignetes Linux-Betriebssystem, eine Alternative zu Microsofts nicht offenem Windows.
Die Namen: Offene oder Open-Source-Software meint ein Programm, dessen Quellcode offen liegt. Es muss erlaubt sein, ihn zu kopieren, zu verändern und weiter zu verbreiten. Der Begriff „freie Software“ betont stärker den Gedanken einer Bewegung und soll eine Diskussion über ethische Fragen und Verantwortung im Zusammenhang mit Software anstoßen.
Und zwar?
Zum Beispiel, wenn die Mitwirkung einer Community ihnen weiterhilft. Wenn ein Unternehmen dann etwa sieht, dass eine Sicherheitslücke frühzeitig erkannt wird, und es davon profitiert.
Derzeit gibt es Diskussionen über Hintertüren, die Geheimdienste in Software einbauen lassen, und über Hackerangriffe auf Autos. Wäre denn eine Open-Source-Welt frei von diesen Problemen?
Ganz frei sicher nicht. Software hat immer Fehler. Der Unterschied ist nur: Je mehr Leute draufschauen, desto schneller werden die Fehler gefunden. Und das ist bei offener Software einfach wahrscheinlicher.
Die Free-Software-Bewegung kritisiert, dass der Begriff Open Source rein technisch sei und die Diskussion über Kommerzialisierung, über die Ethik von Software zu kurz kommt.
Ja, es gibt diese Spaltung, und ich bin nicht froh darüber, sie führt nur zu unnötigen Spannungen. Es wäre besser, wenn beide Gruppen zusammenarbeiten.
Ist die Kritik denn berechtigt?
Freie Software hat natürlich eine längere Tradition. Es gibt sie schon genauso lange, wie es proprietäre, also nicht offene Programme gibt. Open Source kam erst etwa zwanzig Jahre später. Ich würde sagen: Man hätte den Begriff Open Source gar nicht einführen müssen, man hätte auch mit dem Begriff „frei“ weitermachen können. Klar, man muss dann erklären, dass frei nicht kostenlos heißt, sondern Freiheit, aber das geht schon. Wir müssen schließlich beim Begriff Open Source genauso erklären, dass es nicht nur um den Code geht, sondern um Zusammenarbeit.
Warum hat man damals überhaupt nach einem neuen Begriff gesucht?
Es haben auf einmal Unternehmen begonnen, sich für freie Software zu interessieren. Dadurch haben sich die Wahrnehmung und der Umgang damit verändert, und es gab das Bedürfnis nach einem Wort, um diese Verschiebung zu beschreiben. Es waren damals auch noch andere Bezeichnungen in der Diskussion, zum Beispiel „modern“. Aber was die Zusammenarbeit angeht: Ich glaube, sie beginnt, besser zu werden. Es gibt einige Leute, die sich in Organisationen von beiden Seiten engagieren. Wir versuchen, Brücken zu bauen und die Brüche, die damals entstanden sind, zu kitten.
Die Leute, die an freien oder Open-Source-Projekten arbeiten, machen das oft in ihrer Freizeit, unbezahlt. Was treibt sie an?
Ganz viele lösen einfach die Probleme, die sie selbst gelöst haben wollen. Außerdem sind Entwicklerjobs, also die Jobs, für die man Geld bekommt, häufig langweilig. Da ist es schön, noch an etwas arbeiten zu können, das Spaß macht, das eine Herausforderung ist. Es ist eine Art Hobby: Jemand, dessen Hobby Radfahren ist, will ja auch weit raus und Neues entdecken. Und nicht jeden Tag um dieselben zwei Blocks herumfahren.
Aber die finanzielle Situation ist häufig prekär: Als im vergangenen Jahr zum Beispiel die Sicherheitslücke Heartbleed entdeckt wurde, kam heraus: Die Stiftung hinter der Software OpenSSL erhält gerade mal 2.000 US-Doller Spenden jährlich. Und das für eine Software, die ein Rückgrat verschlüsselter Kommunikation ist.
Ja, das ist tatsächlich ein blinder Fleck. Es sagen sich einfach ganz viele Nutzer: Ach, jemand anders wird dafür zahlen, das muss ich doch nicht machen. Und am Ende macht es keiner.
Was muss sich ändern?
Ich glaube, auch die Wahrnehmung in der Community. Viele Entwickler sitzen schon so lange an ihren Projekten, die kommen gar nicht auf die Idee, dass sie finanzielle Unterstützung bekommen könnten. Und ihnen muss bewusst werden: Es ist okay, wenn sie um Spenden bitten, wenn sie sagen: Hey, hier fehlt uns Geld, wer kann uns helfen? Die Linux-Stiftung arbeitet gerade an einer Studie, um die Projekte zu identifizieren, die prekär finanziert sind und Hilfe brauchen.
Gibt es Projekte, die dafür besonders anfällig sind?
Schwierig ist es meist für die, die im Hintergrund arbeiten. OpenSSL gehört sicher dazu, das läuft auf Servern, da bekommen Nutzer nicht viel von mit. Einfacher ist es für Projekte, wo der Nutzer direkt über eine Website gehen muss: Die können einfach einen Hinweis posten, dass sie spendenfinanziert sind und Geld brauchen.
Gerade wenn es darum geht, Software überall und möglichst schrankenlos zugänglich zu machen, kann man dann erwarten, dass jeder Nutzer etwas spendet?
Große Unternehmen, die die Programme nutzen, sollten sich genauso beteiligen. Schon aus Eigennutz: Wenn eine Sicherheitslücke aufgrund mangelhafter Finanzierung unentdeckt bleibt, haben sie auch Nachteile.
Glauben Sie daran, dass es eines Tages eine Open-Source-Welt geben wird?
Zumindest wird offene Software immer stärker akzeptiert, und ein Unternehmen, das nicht darauf setzt, wird eines Tages ins Hintertreffen geraten. Wer aber seine Lücken geschlossen und seine Features eingebunden bekommt, wer schneller bei Innovationen ist, macht mehr Gewinn. Das ist der Treiber, nicht ein altruistisches Motiv.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“