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Programm der LinksparteiVon Revolution keine Rede

Die Partei Die Linke reklamiert das Copyright aufs Thema Gerechtigkeit. Ihr Wahlkampf wird von Rente, Mindestlohn und Reichensteuer handeln.

Empfehlungsschreiben in der Linken-Wahlkampfzentrale Bild: Michael Kappeler dpa

BERLIN taz | Die Linkspartei will im Wahlkampf mit einem auf Umverteilung fokussierten Programm bestehen. Die Kernforderungen zielen auf einen großformatigen sozialen Umbau, von dem vor allem die Unterschicht profitieren würde. Parteichefin Katja Kipping illustrierte dies bei der Vorstellung des 87 Seiten umfassenden Entwurfs in Berlin mit einem Beispiel: „Der Chef der Bahn AG Herr Grube verdient 86-mal so viel wie ein Zugbegleiter, der nachts arbeitet. Niemand leistet 86-mal so viel wie jemand anderes.“

Geht es nach der Linken, soll die Mindestrente 1.050 Euro betragen, die Rente generell wieder mit 65 Jahren beginnen und auch der „demografische Faktor“, der das Niveau der Altersbezüge auf bis zu 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns absenken wird, gestrichen werden. Zentral sei, so Kipping, auch die komplette Angleichung der Ost- an die Westrenten bis 2017.

Offenbar haben die herben Niederlagen bei Wahlen im Westen Spuren hinterlassen. Man betont die Ostkompetenz. Bei der Rente geht die Linkspartei über die Ideen der SPD hinaus, die, nachdem sie in der Regierung forsch die Rente mit 67 eingeführt hatte, diese jetzt mit Ausnahmeregelungen versehen will.

Kosten: 160 Milliarden Euro

Zwei weitere bekannte Schlüsselforderungen der Linkspartei sind die Anhebung des Hartz-IV-Satzes auf 500 Euro – die Grünen fordern 420 Euro – sowie ein Mindestlohn von 10 Euro in der Stunde. SPD und Gewerkschaften wollen 8,50 Euro.

Die Kosten des Programms bezifferte Parteichef Bernd Riexinger auf 160 Milliarden Euro im Jahr. Finanzieren soll dies vor allem das obere Zehntel der Gesellschaft. Eine jährliche Vermögensabgabe von 5 Prozent für privaten Geld- und Immobilienbesitz über eine Million Euro soll dem Staat 80 Milliarden Euro im Jahr einbringen. Zudem sollen, wie in Frankreich, Einkommen von über einer Million Euro im Jahr mit 75 Prozent besteuert werden. Insgesamt soll der Staat 180 Milliarden Euro mehr einnehmen, auch durch die Finanztransaktionssteuer, die 27 Milliarden bringen soll.

Die Parteiführung versicherte dabei, dass alle, die bis 6.000 Euro brutto im Monat verdienen, gleichwohl weniger Steuern als derzeit zahlen würden – was eine gewisse Skepsis betreffs der Solidität der Rechenmodelle der Linkspartei weckt.

Staat als Umverteilungsmaschine

Das Ganze wirkt wie ein traditionelles, linkssozialdemokratisches, stark auf den Staat als Umverteilungsmaschine fixiertes Projekt. Von Revolution ist keine Rede, dafür von einem „Modell des Miteinander“. Die Handschrift von Parteichefin Kipping, die ein bedingungsloses Grundeinkommen will und anschlussfähig an Lebensstile im grünen Milieu wirkt, ist sichtbar – wenn man genau liest.

Kipping hatte zum Beispiel vorab das Recht auf ein Sabbatical vorgeschlagen und Rot-Grün Unterstützung signalisiert, falls man sich auf ein Verbot von Waffenexporten einigen könne. Das Sabbatical ist knapp auf Seite 12 erwähnt, ein Verbot von Waffenexporten kommt auch vor.

„100 Prozent sozial“ heißt das Programm. Matthias Höhn, der pragmatische, stets besonnen auftretende Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, bringt es auf den Punkt. „Wir setzen bewusst auf Kontinuität“, so Höhn zur taz. Kipping tippt, vorsichtig, aber deutlich, die Rolle der Partei als Sprachrohr des Ostens an. Dort sind, trotz Überalterung, noch immer zwei Drittel der Mitgliedschaft zu Hause. Der Zuspruch im Westen ist volatil – die verlässliche Basis bleibt der Osten, wo rund 20 Prozent die Partei wählen.

Gerechtigkeit wird die Agenda des Wahljahres bestimmen. Die Union ist eifrig bemüht, alle Angriffsflächen im Sozialen abzuräumen. Sogar die FDP nimmt gezwungenermaßen das Wort Mindestlohn in den Mund. Für die Linkspartei ergibt sich daraus zwangsläufig, das Copyright reklamieren zu müssen, um Abgrenzung zur links blinkenden SPD herzustellen. Man setzt auf die bekannten Themen Rente, Hartz IV, Reichensteuer. Neueres, etwa eine Arbeitszeitsverkürzung, wirkt im Programmentwurf, der im Juni beschlossen werden soll, eher verschattet.

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7 Kommentare

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  • S
    Sabine

    Die Linkspartei ist viel zu bescheiden und zu kleinlaut geworden.

     

    In Deutschland zahlen die SteuerzahlerInnen im Ernstfall 700 Milliarden Euro für die Zocker-Banken.

     

    Da sind die geringen Erhöhungen, die die Linkspartei für die Armen fordert (500 Euro Hartz-IV-Satz) und 10 Euro Mindestlohn sowie 1050 Euro Mindestrente geradezu lächerlich bescheiden.

     

    Zumal wenn man die reale Steigerung der lebenshaltungskosten analysiert.

  • AS
    André Schlebes

    @Gawyn Luinrandir

     

    zu 1)

    Ein niedriges Gehalt ist es sicherlich nicht. Ich halte trotzdem ein Steuerklasse I Single mit 5.000,- EUR Brutto/~2.900,- EUR netto nicht für eine "Spitzenverdiener".

     

    zu 2)

    Die Linkspartei möchte im Wahlprogramm die 53% ab 65.000,- EUR.

     

    zu 3)

    Es ist und bleibt eine Besteuerung der Substanz. Die 5% sind nicht erwirtschaftbar und dadurch ist man ja eben nicht leistungsfähig.

    Eine Steuer für ersparte Mietkosten haben wir in Deutschland aus guten Gründen ja schon lange nicht mehr. Wenn man konsequent ist, kann man ja auch den Altwagenbesitzer seine ersparten Leasingraten oder den Nichturlaubsfahrer sein Nichtkosten versteuern lassen.

     

    zu 4)

    Die Zahlen von mir sind aktuell. Allerdings mit Kirchensteuer 9%

     

     

    Wir "umverteilen" in Deutschland im internationalen Vergleich eher überdurchschnittlich. Ich finde das auch gar nicht schlecht, aber die Linkspartei überspannt den Bogen. Wir sollten die vorhandene Mittel anders einsetzen, bevor neues Geld abgeschöpft wird. Für viel wichtiger als das Umverteilen halte ich aber, die Einkommen der unteren Schichten zu steigern. Und zwar nicht über staatliche Almosen, sondern man sollte ihnen dieses aus eigner Kraft ermöglichen.

  • GL
    Gawyn Luinrandir

    @André Schlebes:

    Im prinzip kann ich einen Teil Ihrer Bedenken nachvollziehen, aber:

     

    1) Ein Single, der 5000 Euro Brutto erhält hat ein höheres Bruttoeinkommen als 90% aller anderen Singles (quelle destatis). Da von der "Mitte" zu sprechen setzt schon eine etwas befremdliche Definition von "Mitte" vorraus.

     

    2) Die Linkspartei hat ebenfalls immer gefordert die Schwelle ab der der Spitzensteuersatz gezahlt wird deutlich zu erhöhen. Die Linke (und PDS) hat auch schon einige Anträge im Bundestag gestellt um den sogenannten "Mittelstandsbauch" im Steuerrecht zu beseitigen, haben die anderen Parteien bisher abgelehnt.

     

    3) Ich kenne das aktuelle Programm noch nicht; aber bei den bisherigen Forderungen nach einer Vermögenssteuer wurde gefordert, daß der Teil, der eine Million überschreitet mit 5% versteuert werden muss. In ihrem Beispiel würde dann der Ruheständler bei einem Haus im Wert von 1 Million gar nichts zahlen und wenn es 1,1 Mio Wert ist würden 5000 Euro anfallen. Das entspricht in etwa der eingesparten Kaltmiete. In der BR Deutschland gilt der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, dazu zählt nicht nur Einkommen sondern auch Vermögen.

     

    4) Im übrigen sind Ihre Zahlen irgendwie nicht ganz aktuell: Ich habe ein regelmäßiges Monatliches Einkommen von 4988 Euro Brutto und erhalte ca. 2850 Euro jeden Monat überwiesen (es gehen noch etwa 224 Euro vom Brutto in eine betriebliche Altersvorsorge, anderenfalls wären es knapp 3000 Euro Brutto.)

    Eine eventuelle Mitgliedschaft in einem Verein (z.B. katholische Kirche) sind keine staatlichen Steuern.

     

    LG GL

  • AS
    André Schlebes

    Man kann sich ja meinetwegen über eine Spitzensteuersatz von 53% unterhalten und diesen fordern.

     

    Vorher sollte man aber auch mal durchrechnen, was das konkret bedeutet. Beispiel: Ein Steuerklasse I Single verdient 5.000 EUR im Monat. Dies führt zu einem Gehalt von 2.788 EUR netto. Bereits heute blieben ihm von 100,- EUR Mehrverdienst durch Gehaltssteigerung nur 44,- EUR. Bei 53% Spitzensteuersatz blieben ihm noch 38,- Mehrverdienst (und das auch nur wenn die 53% erst ab 60.000,- EUR Jahreseinkommen greifen würden).

     

    Ich finde ein solches verstärktes steuerliches Zugreifen auf "Spitzenverdiener" nicht gerecht. Wir reden hier natürlich von einem Gutverdienern, aber mit 2.800,- EUR netto stellt man sich keinen Porsche vor die Tür.

     

    Noch schlimmer finde ich eine jährliche Zwangsabgabe von 5% auf das Vermögen von über 1 Mio. Euro. Diese 5% sind doch derzeit mit Geldanlagen/Wohnungen gar nicht erwirtschaftbar. Letzlich müssten Kredite aufgenommen werden, um die Steuer zu bezahlen. Man kann ja meinetwegen Gewinne abgreifen, aber so wie im Wahlprogramm geschrieben sprechen wir über Enteignung. Ein Vermögen von 1 Mio ist schneller vorhanden als man denkt. Ein freihstehendes Einfamilienhaus in ordentlicher Lage (im Berufsleben mühsam abbezaht), eine Lebensversicherung für den Ruhestand, weil man wie gefordert immer vorgesorgt hat, vielleicht eine vermietete ETW, vielleicht noch ein Auto der oberen Mittelklasse, etwas Gespartes. Ganz schnell ist man Millionär, ohne dass der Millionär selbst das Gefühl hat, ein solcher zu sein, denn das Vermögen besteht doch zunächst nur auf dem Papier und ist nicht verwertbar. Er erhält vielleicht eine Rente von in normaler Höhe von 1.500,- EUR und kauft seine Lebensmittel bei Penny und Aldi.

     

    Ich will jetzt nicht auf die Tränendrüse drücken, aber eine Besteuerung wie von der Linkspartei vorgeschlagen, trifft die Mitte der Gesellschaft.

  • V
    vic

    In Deutschland Waffenexporte verbieten? Schön wärs.

    Das ist wie Autofahren verbieten- keine Chance.

    Ansonsten ist, was die Linke fordert, durchaus realistisch.

  • I
    I.Q

    Ob dies Umverteilung genannt werden soll, was von der Linkspartei intendiert ist, oder nicht besser Rückgabe gesellschaftlich erarbeiteten Eigentums an jene, denen man es bislang genommen oder vorenthalten hat?

    Da mögen sich die Geister scheiden, aber es ist ein Angebot an die anderen Parteien, was mit der Linken zusammen konkret in einer Legislaturperiode erreicht werden könnte.

    Doch wo bleiben die berechtigten Vorstellungen der Linkspartei, stärker gesellschaftlich kontrollierte Unternehmen in der Daseinsvorsorge und im Bankwesen und überhaupt ein Genossenschaftswesen greifen zu lassen, die doch davon zeugen, das man ernsthaft einen Weg zur einer demokratischen und wirtschaftlichen Gestaltung der Gesellschaft gehen will?

    Gibt es das alles nicht bei diesem Entwurf?

     

    Wo bleiben die umweltpolitischen Vorstellungen, die anders als etwa bei den Grünen, beispielsweise eine tatsächliche Abkehr vom Auto als Hauptverkehrsträger und die Nutzung ökologischer, öffentlicher Verkehrssysteme anstreben?

    Dies erfordert langanhaltende Auseinandersetzung mit kurzsichtigen Lobbyistenbastionen, doch kann man das eher von der Linken als von den weichgespülten Kapitalanbeter bei den Scheingrünen erwarten – wird das nicht auch angesprochen?

    Schwer verständlich, was Herr Reinecke immer wieder an Gegensätzen zwischen Ost und West nahelegen möchte.

    Sollte ein Lerneffekt bei der Linken aus den Vorgängen der letzten Jahre eingesetzt haben,

    wird sie sich nicht durch Kampagnen auseinanderdividieren lassen, wenn einem kubanischen Führer zum Geburtstag gratuliert wird, zu Recht darauf hingewiesen wurde, dass man die Mauer durch Deutschland letztlich dem Überfall auf die Sowjetunion verdankt, oder Menschenrechte auch für Palästinenser eingefordert wurden.

     

    Da lief keine Spaltung zwischen Ost und West, sondern zwischen Voreiligen, Eingeschüchterten und vielleicht auch Eitlen auf der einen und eben der anderen Seite – das braucht natürlich kein Mensch und keine Linke.

  • N
    Nils

    Was soll das heißen, "Von Revolution keine Rede"? Ist der Autor erstaunt, dass Die Linke tatsächlich nicht die Weltrevolution im Sinn, sondern einfach nur vernünftige Politik im Programm stehen hat?

     

    Warum nicht gleich "Linke wollen doch keine Kinder fressen"?

     

    Geht vielleicht auch etwas weniger dumpfe Stammtischrhetorik, Herr Reinecke?