piwik no script img

Programm „Navigator für die Kindheit“Einiges Russland, einige Jugend

Die russische Regierung will mit einem neuen Programm ihren Einfluss auf Kinder ausweiten. Doch das könnte nach hinten losgehen.

Freiheit für Nawalny fordern, protestieren, damit soll aus Sicht der Regierung bald Schluß sein Foto: Alexander Zemlianichenko/ap

Russlands Bildungsminister Sergei Krawtsow sorgt sich um die Jugend. Unlängst legte er dem Unterhaus (Duma), das fest in der Hand von Abgeordneten der Kreml-treuen Partei „Einiges Russland“ ist, folgende Frage vor: Was könne getan werden, um einen destruktiven Einfluss auf Kinder zu unterbinden?

Als Antwort präsentierte er ein Programm namens „Navigator für die Kindheit“, das 2022 landesweit starten soll. Es sieht vor, dass zusätzliches pädagogisches Personal eingestellt werden soll, um den Schul­di­rek­to­r*in­nen bei ihren erzieherischen Aufgaben zur Hand zu gehen. Derzeit finden Testläufe in zehn Regionen statt – interessanterweise auch in Sewastopol, Hauptstadt der 2014 von Russland völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim.

Schirmherrin der schulischen Extrabespaßung, für die die Erziehungsberater immerhin einen monatlichen Extra-Obulus von umgerechnet 165 Euro bekommen, ist die Russische Schüler*innen-Bewegung (RDSch). Sie wurde 2015 auf Anordnung von Präsident Wladimir Putin gegründet, um „die Persönlichkeit auf der Grundlage traditioneller Werte der russischen Gesellschaft zu formen“.

Oberhäuptin der RDSch ist Irina Pleschewa, die profunde Vorkenntisse für diesen Job mitbringt. Die 33-Jährige leitete die Jugendorganisation „Naschi“ (die Unsrigen) – von Regierungskritikern auch „Putin-Jugend“ genannt. Zur staatlich verordneten kreativen Freizeitgestaltung gehörten auch Sommerlager mit militärischem Drill und ideologischer Unterweisung.

Um Politik gehe es nicht

Doch das ist, glaubt man Pleschewa, vorbei. Nun gehe es darum, die Kommunikation mit den Kindern zu verbessern. Dafür sollen sich die Extrakräfte Aktivitäten ausdenken, Computer spielen etwa oder kontrollierte Speisepläne für das Schul­essen erstellen. Um Politik gehe es nicht, sagte Pleschewa.

Dafür interessierten sich Jugendliche ohnehin nicht. Tatsache ist jedoch, dass sich der Kreml für Politik interessiert. Kritische Be­ob­ach­te­r*in­nen halten die jüngste Initiative daher für einen Versuch, junge Leute vom Demonstrieren (zum Beispiel für den inhaftierten Kremlkritiker Akexei Nawalny) ab- und auf den „rechten Weg“ zurückzubringen. Dieser Versuch könnte nach hinten losgehen – wie bei „Naschi“. Die Organisation wurde 2013 aufgelöst, viele ehemalige Mitglieder sympathisieren heute mit der Opposition.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Die Politkommissare sind zurück und mit ihnen die "gute", alte Zeit.

  • Staaten, die ihre Bürger.innen von Kindesbeinen an nach ihrem Gusto formen und kontrollieren wollten, kennen wir aus der Geschichte: Nazi-Deutschland und Sowjetunion, gemeinhin als totalitär beschrieben. Russlands Diktatur macht sich auf den Weg zum vollausgebildeten Totalitarismus. "Militärisch-patriotische Jugendcamps" schießen seit Jahren in zahlreichen Städten wie Pilze aus dem Boden. In den Camps werden bereits Pimpfe im Grundschulalter militärisch gedrillt. Wenn Europa nicht aufpasst, hat es in ein paar Jahren mit einem Russland zu tun, dem man mit Diplomatie nicht mehr beikommen wird.

    • @Michael Myers:

      Die USA ist beispielsweise auch so ein Staat, in dem die Kinder jeden Morgen auf Ihr Land schwören :-)



      Pledge of Allegiance nennt sich das...

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Michael Myers:

      Da müssen sie sich keine Sorgen machen die Deutschen werden dann ganz tapfer die Balten und Polen an Russland verschachern, den Rechten geht's ums Geschäft, den Linken um ein dekontexualisierte Rücckkehr zur neuen Ostpolitik.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        ich bin weder tapfer, noch besitze ich die balten noch die polen....



        also kann ich schonmal nichts verschachern... :-)



        russland hat einen rüstungsetat, von nichtmal ein zehntel der usa. auch der deutsche etat ist nur etwas 20% geringer...



        warum trommelt keiner nur annähert wegen des jemen, in dem zehntausende durch den natopartner saudi-arabien sterben?

        • 8G
          83379 (Profil gelöscht)
          @beck jürgen:

          Nun die Freiheit anderer Völker ist anscheinend ja schon Verfügungsmasse, wenn ich an die Debatte um die Ukraine denke wo sich ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier Schmidt nicht zu schade war der Ukraine die Staatlichkeit abzusprechen.

          Vergleiche in reinen Dollar sind Unsinn, die Russen kaufen keine Leopard 2, man muss die Etats nach Kaufkraftparität betrachten und dann ist der russiche Verteidigungsetat bei ca. 180 Mrd, dazu kommen noch versteckte Ausgaben in anderen Haushaltsposten, die Tatsache das Wartung, Beschaffung und Forschung einen größeren Anteil haben als im Westen, und Russland außerdem Soldaten und ausrüstung durch seine Firma Wagner bereit hält ohne das hier Kosten enstehen, und sie stellen fest, das die Russen Europa und den Amis die da sind überlegen sind. Vorallem was bringen bei der Verteidigung des Baltikums spanische Leopard 2 Panzer die stehen an der Grenze zu Portugal. Die Amerikaner haben den Großteil ihrer Kräfte in Nahost und Asien gebunden.

          Gegen Saudi-Arabien habe ich bei Amnesty schon seit Jahren getrommelt. Die Saudis verüben da ein Kriegsverbrechen auf mittelalterlichem Niveau.

          • @83379 (Profil gelöscht):

            naja...



            der name machiavelli erklärt schon einiges... :-)



            man kann sich immer alles drehen, bis man was sieht was man sehen will...

            • 8G
              83379 (Profil gelöscht)
              @beck jürgen:

              Selbst SIPRI was ja gerne bei Militärbudgets hinzugezogen wird geht wenn man PPP berücksichtigt von einem equivalent von 160 Mrd aus.



              Außerdem wird das deutsche Militärbudget gerne für Industriepolitik benutzt hätte man anstatt Tiger und NH90 Apaches und Blackhawks gekauft hätte man mehr fürs Geld bekommen.



              Will man Militärs vergleichen zählen zwei Faktoren:

              - Anzahl der Kampfeinheiten



              - Erfahrung dieser Einheiten (Manöver und Krieg)

              Eine erfahrene große Armee mit vielen T-72 gewinnt gegen eine unerfahrene mit Leopard 2.