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Profit auf dem Stundenplan

Wenn Schüler was unternehmen: Mit Planspielen und virtuellen Banken will das Zentrum für Schule und Wirtschaft die ökonomische Bildung und wirtschaftliche Kompetenz bei Jugendlichen stärken

von HELENE BUBROWSKI

Sie haben eine Marktlücke gefunden. Gut 500 3-D-Glückwunschkarten zum stolzen Stückpreis von knapp fünf Mark haben die JungunternehmerInnen von „Trimension“ umgesetzt. Entsprechend positiv ist denn auch die Bilanz, die die Minifirma schließlich ihren AktionärInnen präsentieren kann: Die für damals je zwanzig Mark gekauften Anteile haben ihren Wert mehr als verdoppelt.

Tatsächlich sei die Arbeit der SchülerInnengruppe des Gymnasiums Christianeum, die am „Projekt Junior“ teilnimmt, „den realen Bedingungen in der Wirtschaft sehr ähnlich“, erklärt Karin Menke. Die Gemeinschaftskundelehrerin und ihre Kollegin Susanne Fricke-Heise sind für die Betreuung der unternehmungslustigen GymnasiastInnen zuständig: Das auf ein Schuljahr angelegte „Projekt Junior“, 1994 vom „Institut der deutschen Wirtschaft“ in Köln initiiert, wird inzwischen bundesweit an elften Klassen durchgeführt.

Eigenverantwortlich im Team arbeiten

So klein das Unternehmen auch ist, es fordert einiges an Vorbereitung. Zunächst muss die Produktidee entwickelt werden, dann besetzen die SchülerInnen die Bereiche Verwaltung, Finanzen, Produktion und Marketing – die jeweiligen AbteilungsleiterInnen werden gewählt. Wenn dann auch das – reale – Startkapital durch Aktienverkauf gesichert ist, kann das Produkt hergestellt und schließlich verkauft werden. „So weit es geht, organisieren sich die Schüler gegenseitig“, sagt Karin Menke, „der Lehrer greift nur im Notfall ein.“

Erklärtes Ziel ist, dass SchülerInnen wirtschaftliche Prozesse verstehen und umsetzen lernen. Doch im Laufe des Projekts erfahren sie nicht nur, was eine Dividende ist, wie Sozialabgaben berechnet oder eine Finanzabrechnung aufgestellt wird. „Die Schüler lernen auch ihre eigenen Stärken und Schwächen kennen“, so Menke. Schließlich müssen sie selber Verantwortung für ihre Aufgaben übernehmen, Eigeninitiative zeigen, im Team arbeiten und gegenseitig Kritik üben. „Persönlichkeitsentwicklung und die Erziehung zum mündigen Staatsbürger“ seien zentrale Aspekte, sagt Menke, die seit 1998 daran arbeitet, ökonomische Bildung im und neben dem Unterricht zu fördern.

Auf unternehmerische Fantasie kann sie dabei sicherlich setzen. Ganz unterschiedliche Produkte – ein Stadtführer für Jugendliche, ein Brettspiel, Erfrischungspacks oder durchsichtige Plastikgehäuse für Computer – wurden in den vergangenen fünf Jahren an Hamburger Gymnasien entwickelt. Und dass sich auch Dienstleistungen gewinnbringend vermarkten lassen, hat beispielsweise eine Gruppe des Helene-Lange-Gymnasiums bewiesen – mit der professionellen Organisation von Kindergeburtstagsfeiern.

In Zukunft können sich interessierte Schulen an das Zentrum für Schule und Wirtschaft (ZSW) wenden, das die Projekte fördern und koordinieren wird. Die Zweigstelle des Instituts für Lehrerfortbildung (IFL) hat im April dieses Jahres die Arbeit aufgenommen hat. „Uns geht es darum, Schüler noch in Schulzeiten auf die Zeit danach vorzubereiten“, erklärt die Leiterin des Instituts, Bringfriede Kahrs, das ZSW-Konzept. Angeregt wurde die Gründung durch das Projekt „Schule Wirtschaft Arbeitsleben“ von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD).

Präventiv gegen Verschuldung

Neben Planspielen, Kleinfirmen und virtuellen Banken konzipiert das ZSW auch Unterrichtseinheiten, die besonders Haupt- und RealschülerInnen lebenspraktisches ökonomisches Grundwissen vermitteln sollen. Beispielsweise: Wie werden Kredite aufgenommen, welchen Sinn haben Versicherungen oder was ist ein Girokonto? Dieses Projekt, so hofft Kahrs, könnte eine Präventionsmaßnahme gegen die zunehmende Verschuldung Jugendlicher sein. Und das Berufswahlspektrum erweitern: Denn vor allem Mädchen trauen es sich oft nicht zu, Berufe in der Wirtschaft zu ergreifen. An Gymnasien soll zu Schuljahresbeginn 2003 zudem in den Klassen 8 bis 10 das Fach „Politik, Gesellschaft, Wirtschaft“ eingerichtet werden, wofür Geschichte und Erdkunde allerdings jeweils eine Stunde einbüßen müssen.

Die vier MitarbeiterInnen des ZWS organisieren auch Fortbildungsseminare für LehrerInnen. Denn zunächst müssen diese lernen, was beispielsweise Projektmanagement und globale Geschäftspolitik ist, bevor sie es den SchülerInnen vermitteln können.

Gegen den möglichen Vorwurf, Bildung ökonomischen Interessen unterzuordnen, weiß sich Kahrs zu verteidigen: „Die Wirtschaft und die Schulen wollen im Grunde dasselbe: Schüler, die selbständig, kreativ und teamfähig sind, und die auch was von den wirtschaftlichen Zusammenhängen verstehen.“ Und so fern könne das den Interessen der SchülerInnen selber auch nicht sein.

Seminar „Ökonomische Bildung“: 26. Oktober, 14 Uhr, Handwerkskammer; Anmeldung: ZWS, Schwenckestraße 91-93, ☎ 428 01 25 83

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