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Profisport im Senegal„Surfen ist Erziehung“

Olympia ist international, der Zugang dazu nicht. Was zwei Surfprofis tun, damit der Nachwuchs bei den Jugendspielen 2026 in Dakar eine Chance erhält.

Profisurfer Cherif Fall will keine Aus­nahme­erscheinung in Senegal bleiben Foto: Nicole Sweet/imago

Im Schatten der zwei am Straßenrand aufgebauten weißen Zelte ist längst kein Platz mehr. Mehr als hundert Kinder und Jugendliche drängeln sich auf dem kleinen, sandigen Vorplatz. Während die Veranstalter, Ibra Samb und Cherif Fall, noch die letzten organisatorischen Dinge klären, geht ein aufgeregtes Tuscheln durch die Menge. Eine Gruppe von Helfern hat angefangen, stapelweise Surfboards zu sortieren. 250 Bretter sollen im Laufe der Veranstaltung an Senegals Nachwuchstalente ausgeteilt werden.

Mit der Gründung der Anda Surf Club Foundation möchten die beiden senegalesischen Profisurfer Ibra Samb und Cherif Fall Westafrikas Surfnachwuchs fördern. „Anda bedeutet auf Wolof: gemeinsam“, erklärt Ibra Samb. Und genau darum geht es. Ziel der Initiative ist es, afrikanischen Talenten den Zugang zur globalen Bühne zu erleichtern. Dazu gehören neben dem passenden Equipment auch Trainingsmöglichkeiten und die Unterstützung bei der Teilnahme an Wettbewerben.

Der Profisport mag zwar international sein, doch wer tatsächlich Zugang dazu findet, hängt nicht zuletzt von finanziellen Möglichkeiten ab. Ein Thema, das Samb und Fall nur zu gut kennen: Während sich an den Stränden Dakars in den letzten Jahren eine starke lokale Surfszene entwickelt hat, sind die beiden nach wie vor die einzigen international gesponserten Profisurfer des Landes. Dass sich das in Zukunft ändern könnte, ist nicht ausgeschlossen. Bei den Olympischen Jugendspielen 2026 in Dakar wird Surfen eine der 36 Sportarten sein. Die senegalesische Hauptstadt rückt damit als Sportdestination zunehmend in den Vordergrund, und mit ihr die Hoffnung, dass mehr afrikanische Talente Sichtbarkeit und Zugang zu internationalem Wettkampfniveau erhalten.

„Wir haben viele Talente, aber sehr wenig Sichtbarkeit“, sagt Gora Ndiaye. „Alle, die heute hier sind, surfen, seit sie klein sind. Aber vielen fehlt es an Ausrüstung wie einem Brett, denn so was kostet viel Geld“, erzählt der 31-Jährige. Als Surf- und Schwimmlehrer gibt er mit seiner neu gegründeten Schule Kaay Surf seine Liebe zum Sport heute an Jüngere weiter. Neben individuellen Talenten unterstützt der Anda Surf Club auch lokale Schulen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Kinder an den Sport heranzuführen. Darüber hinaus werden diese bei der schulischen und beruflichen Bildung unterstützt.

„Surfen ist wie eine Erziehung“

„Surfen ist zur Kultur geworden“, sagt Mitgründer Ibra Samb. Die Sonne knallt vom Himmel, der Strom ist gerade kurzzeitig ausgefallen. So muss die Boardverteilung zwangsweise pausieren, bis das Mikrofon mit einem Knacken und Rauschen wieder am Netz angeschlossen ist. Die Müdigkeit des Tages, die ihm zuvor ins Gesicht geschrieben stand, aber ist verschwunden, als er über seine Beweggründe spricht: „Der Sport hilft den Kindern dabei, ihren Weg zu gehen. Surfen ist wie eine Erziehung. Deshalb ist es so wichtig.“

Das Meistern der Wellen, erfordert Disziplin, Geduld und Respekt – vor dem Meer und voreinander. Das Surfen bietet vielen Senegalesen zudem eine Einkommensmöglichkeit und Perspektiven, weiß auch Samb. Angesichts des Durchschnittsalters von 19 Jahren und einer hohen Arbeitslosenrate im Senegal ist das von Bedeutung. Viele der jungen Erwachsenen in der versammelten Gruppe verdienen heute ihr Geld als Surflehrer, reparieren Ausrüstung oder organisieren Ausflüge entlang der Küste für Touristen.

Kleine Geschäftsmodelle, die nicht nur Einkommen schaffen, sondern auch lokale Wertschöpfung stärken. Auch in der Tourismusbranche wächst das Interesse an Senegal als Surfdestination. Vor allem Dakar bietet das ganze Jahr über günstige Bedingungen. Auf einer Halbinsel gelegen können bei fast jeder Wind- und Strömungsrichtung an den diversen Stränden Wellen geritten werden. Samb und Fall sehen hier großes Potenzial: für nachhaltige Jobs, lokale Initiativen und eine Szene, die sich aus eigener Kraft professionalisiert.

Der Tag ist der Auftakt für das, was man eine Herzensangelegenheit nennt. Ganz ohne großen Pomp, dafür mit dem klaren Ziel, die steilen Stufen der Karriereleiter zugänglicher zu machen. Erwachsen aus der eigenen Biografie, denn die ersten eigenen Surfversuche fanden auf zurechtgesägtem Holz von Fischerbooten und kaputten Boards abgereister Touristen statt.

Spende aus Australien

Geht es nach Cherif Fall und Ibra Samb, sollen künftig auch junge Surfer in anderen Ländern entlang der westafrikanischen Küste, wie Sierra Leone oder Liberia, vom Zugang zu Brettern und anderem Equipment profitieren. Dort, wo Talente reichlich vorhanden, aber gute Bretter Mangelware sind. Für die Umsetzung suchen die beiden noch nach Partnern, die bei der Logistik unterstützen können.

Die erste Hürde aber ist geschafft: Die Boards und Neoprenanzüge sind eine Spende aus Australien. Ein privater Kontakt, die Idee, etwas zu bewegen, und eine Surf-Community in Australien, die fleißig ihre Keller und Abstellkammern ausräumte. „Es ist erstaunlich, was dabei alles zusammengekommen ist“, sagt Ally Johnson. Gemeinsam mit Ehefrau Nina und seinem neunjährigen Sohn Miles hat er die Sammlung der Boards organisiert und den Transport mitkoordiniert.

Neben den Brettern konnten auch 250 Neoprenanzüge, 180 Leashes and 297 Finnen-Sets eingesammelt werden. Material, das allein in den beiden Küstenstädten Dunsborough und Yallingup zusammengetragen werden konnte. „Wir haben auch etliche professionelle Boards im Gepäck“, sagt er und zeigt auf ein Brett der Marke Quicksilver, das Teil der verschiedenen Stapel ist. „Das Board dort drüben ist zum Beispiel von Jake Paterson, der damit in den späten 90ern die Pipeline Masters gewonnen hat“, berichtet er, als die Lautsprecher wieder ihr Rauschen aufnehmen.

Die Boardverteilung findet so langsam ihren Abschluss und der Pulk bewegt sich die Straße hinunter zum nächstgelegenen Surfspot. Ein kleiner Spaßwettbewerb soll den Tag abrunden. Die neuen Bretter können direkt ausprobiert werden. Die Wellen sind an diesem Tag klein. Leichtes Spiel für die Nachwuchstalente, doch es braucht nicht viel, um das Meer zur Bühne werden zu lassen. Für die Gewinner gibt es T-Shirts mit dem Logo des Anda Surf Clubs. Es ist der Auftakt für mehr.

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