Press-Schlag: Profis auf Friedhöfen
■ Berti Vogts verlangt Fußballverbot
Berti Vogts macht sich Sorgen um seine Stars, weil sie zu oft verletzt sind, wenn es um nationale Interessen geht. Ohne Häßler, Helmer, Scholl, Bierhoff, Strunz, Schneider, Schneider und Schneider gegen Portugal? Wie soll das schon gutgehen? Der Bundestrainer hat eine „eigene Statistik angefertigt“, verriet er der Hamburger Morgenpost, und diese Statistik verriet ihm, daß es immer wieder Spieler aus München und Dortmund sind, die wegen Verletzungen bei ihm absagen müssen. Der Grund: Den Topstars der Topteams fehlen Sommer- und Winterpause, um sich zu regenerieren.
Der Fußballfreund stutzt. Es fehlt die Winterpause? Haben die Spieler nicht bis Februar Zeit, sich zu erholen?
„Das ist Unsinn“, belehrt uns Herr Vogts. „In der Winterpause hat keiner Zeit, zwei, drei Wochen in Urlaub zu gehen, um richtig zu regenerieren. Denn Weihnachten mit all den Einkäufen, Besuchen bei Verwandten und auf den Friedhöfen bedeutet Streß und nicht Entspannung.“
Ach so. Jetzt verstehen auch wir die Sorgen des Bundestrainers. Sinken wir nicht ebenfalls am Abend matt in die Kissen, nach zwölf Stunden Dauerstreß in Einkaufszentren, Spielzeuggeschäften, Videotheken und beim Juwelier? Und das bei unserem kargen Weihnachtsgeld? Was müssen da die millionenschweren Profis mit ihrem um ein Vielfaches höheren Geschenketat durchmachem, wenn sie Schuhe in Mailand, Schmuck in Paris, Autos in Stuttgart und Spielzeug in Hongkong besorgen? Der blanke Streß!
Und erst die Verwandtenbesuche. All diese Fragen der verwandten Tanten: „Wie gehts denn unserem lieben Andy? Daß ihr jungen Burschen euch aber auch nicht erkältet, wenn ihr doch immer so schwitzt und in kurzen Hosen rumrennt.“ Und dann diese fetten süßen Weihnachtsplätzchen mit ihren Kohlehydraten und die Schnäpse. Wo bleibt da die Regeneration.
Vor allem aber: das Herumtreiben auf Friedhöfen. Ein solches Verhalten ist nicht nur wenig erhol-, sondern äußerst seltsam, eine letzte Warnung vor dem streßbedingten Overkill.
Erholung ist dringend notwendig, Erholung vom Friedhof, von den Verwandten, vom Geschenkekaufen und vom Fußball natürlich. Und weil das im Winter nicht möglich ist, muß eine Sommerpause her. Und weil die ehrgeizigen Buben so ballverliebt sind und das Fußballspielen nicht lassen können, hilft nur eines: verbieten. Vogts: „Wenn ich die Macht hätte, würde ich im Sommer ein dreieinhalbwöchiges Fußballverbot für die Profis aussprechen.“
Wir fordern im Namen des deutschen Fußballs: Alle Macht für Berti. Joachim Frisch
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