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Produktion von grünem WasserstoffAmbitionslücke beim Ausbau

Grüner Wasserstoff ist der Hoffnungsträger für die Energiewende. Aber ob die Regierung zur nötigen Förderung bereit ist, ist unklar.

Für die Wasserstoffproduktion erforderliche Maschinen: Montage eines Elektrolyseurs beim Unternehmen Andritz Schuler in Erfurt Foto: Martin Schutt/dpa

Freiburg taz | „Pragmatischer“ soll die Wasserstoffwirtschaft werden – so steht es im aktuellen Koalitionsvertrag. Was das bedeutet, folgt unmittelbar: „Im Hochlauf müssen wir alle Farben nutzen.“ Das heißt: Die Bundesregierung will sich nicht allein auf grünen Wasserstoff konzentrieren, der mit erneuerbarem Strom erzeugt wird, sondern sie will zum Beispiel auch Wasserstoff aus Erdgas gewinnen.

Kritiker haben für den schleppenden Ausbau der Erzeugungskapazitäten von grünem Wasserstoff bereits das Wort „Ambitionslücke“ ersonnen. Zugleich vermissen sie Konzepte, um Abnehmer für den Energieträger zu schaffen. In einem offenen Brief schrieben jüngst 14 einschlägig tätige Unternehmen und Umweltorganisationen, sie blickten „mit Sorge“ auf die Pläne der Bundesregierung, „im Rahmen der Kraftwerksstrategie bis zu 20 Gigawatt Gaskraftwerke auszuschreiben, ohne konkreten Fahrplan für die Umstellung dieser Kraftwerke auf grünen Wasserstoff“.

Die Unterzeichner fordern von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) einen „verbindlichen Dekarbonisierungspfad“ und einen „entscheidenden Impuls für den noch stockenden Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland“.

In der Praxis ist damit stets Förderung gemeint. Denn längst ist klar, dass sich eine Wasserstoffwelt ohne massive staatliche Unterstützung nicht wird aufbauen lassen. Einerseits müssen die Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff möglichst viele Stunden im Jahr in Betrieb sein, wenn sie die hohen Investitionskosten einspielen wollen. Andererseits müssen sie dann aber auch in Stunden laufen, in denen es keinen Stromüberschuss aus erneuerbaren Energien gibt. Aber: So lange fossile Kraftwerke laufen, sollte im Ideal­fall kein Elektrolyseur zeitgleich betrieben werden.

Analysen des Beratungsunternehmens E-Bridge Consulting unterlegen das Dilemma mit Zahlen. Unter den aktuellen Marktbedingungen sei es betriebswirtschaftlich am besten, einen Elektrolyseur zwischen 7.000 und 8.000 Stunden im Jahr laufen zu lassen, rechnen die Analysten vor. Das wären etwa 80 bis 90 Prozent aller Stunden eines Jahres. Ein Überschuss aus Photovoltaik und Windkraft wird aber bestenfalls in einem Drittel der Zeit gegeben sein.

Wasserstoff zu teuer

Auch der hohe Preis ist ein Problem. Die realistischen Kosten des Wasserstoffs bei dezentralen Anlagen lägen aktuell bei 7 bis 9 Euro pro Kilogramm, sagt Philipp-Matthias Heuser, Wasserstoffexperte bei E-Bridge. Da zu den reinen Erzeugungskosten auch noch Transport und Vermarktung hinzukommen, müssten Abnehmer derzeit Preise zwischen 10 und 15 Euro pro Kilogramm bezahlen.

Damit überschreiten die Preise aber die Zahlungsbereitschaft der potenziellen Verbraucher. Für den Verkehrssektor müsse eine Preis von 6 bis 8 Euro pro Kilogramm erzielt werden, um Dieselparität zu schaffen, sagt Heuser. Noch weitaus preiskritischer seien Indus­trie­kunden, die den Großteil der Abnehmer ausmachen werden: „In der Industrie liegt die Zahlungsbereitschaft nur bei 3,50 bis 4,50 Euro pro Kilogramm“, sagt Heuser.

Energiewende in Gefahr

Wie viel Strom braucht Deutschland in Zukunft? Das soll ein Energie-Monitoring zeigen, das Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) nach der Sommerpause vorlegen will. Das betraute Institut lässt Böses ahnen. Warum das die Energiewende gefährdet.

Zwei Faktoren könnten den Wasserstoff langfristig wirtschaftlich machen, sagt Heuser. Zum einen könne ein steigender CO2-Preis die Relationen zugunsten des Wasserstoffs verschieben. Zum anderen könne ein deutlicher Rückgang der Investitionskosten bei den Elektrolyseuren den Markt verändern. Dass das langfristig gelingt, hält Heuser für realistisch: Ein Rückgang der Investitionskosten auf unter 1.000 Euro pro Kilowatt in den 2040er Jahren sei möglich. Dann könnten auch die Preise des Wasserstoffs deutlich sinken. Jetzt liegen die Investitionskosten beim Zwei- bis Dreifachen.

Förderung erforderlich

Der Elektrolyseur selbst ist nur ein Kostenfaktor. Die Kosten des Wasserstoffs hängen auch ganz erheblich vom Strompreis ab, denn ein Elektrolyseur braucht für jedes Kilogramm Wasserstoff rund 55 Kilowattstunden Strom. Bei einem Strompreis von 10 Cent je Kilowattstunde ist jedes Kilogramm Wasserstoff folglich mit reinen Stromkosten in Höhe von 5,50 Euro belastet.

Längst ist klar: An allen Ecken braucht der Wasserstoff Fördergeld. Damit werden derzeit erste Großelektrolyseure aufgebaut. Die Firma Enertrag baut in Prenzlau eine Wasserstoffproduktion mit einer elektrischen Anschlussleistung von 130 Megawatt, die zusammen mit einem zweiten Standort in Mecklenburg-Vorpommern den „Elektrolysekorridor Ostdeutschland“ ergibt. Den Förderbescheid in Höhe von 214 Millionen Euro hatte der damalige Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Juli letzten Jahres persönlich übergeben. Nun ist die wichtigste Frage in der Wasserstoffwelt, welche Förderbescheide Katherina Reiche künftig zu übergeben bereit ist.

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