Probleme in Schweizer Reaktor Beznau: Schäden im Druckbehälter
Der älteste noch betriebene Atommeiler der Welt weist Schäden auf. Diese könnten weltweit in 80 weiteren Kraftwerken auftreten.
Freiburg taz | Der Weiterbetrieb des schweizerischen Atomkraftwerks Beznau 1 steht aufgrund ungeklärter Materialschäden am Reaktordruckbehälter auf der Kippe. Seit März ist das Kraftwerk abgeschaltet. Unklar ist, ob es jemals wieder ans Netz geht.
Bei Bautypen wie in Beznau findet im Druckbehälter die Kernspaltung statt. Dieser Behälter ist eine Art großer Boiler, der bei Temperaturen bis 300 Grad unter hohem Druck steht. In den Reaktordruckbehältern zweier belgischer Reaktoren sind Risse aufgetreten. Deshalb ordnete die Atomaufsicht der Schweiz für die turnusmäßige Jahresrevision in Beznau die Untersuchung des 17 Zentimeter dicken Stahlbehälters an. Der dortige Block 1 ist das älteste noch betriebene Atomkraftwerk der Welt.
Für die Analyse nutzten die Prüfer eine neue Ultraschalltechnik. Die offenbarte in dem Material nun wahlweise „Unregelmäßigkeiten“ (wie es der Betreiberkonzern Axpo formuliert), oder aber „Löcher“ (wie Greenpeace schreibt). Unklar ist, woher die Schäden stammen. Vielleicht entstanden sie bereits bei der Fertigung des Stahlbehälters und wurden aufgrund der ungenügenden Analysetechnik bislang nicht entdeckt.
Dann müssten weltweit alle Reaktoren untersucht werden, die einen Druckbehälter aus derselben Schmiede haben. Das ist die französische Creusot Forge, die zum Areva-Konzern gehört. Sie hat für weltweit 80 Atomkraftwerke die Druckbehälter gebaut, darunter alle Reaktoren in Frankreich und einige in den USA. Die deutschen Meiler haben Druckbehälter eines anderen Herstellers.
Vorsichtshalber erst mal vom Netz
Denkbar wäre aber auch, dass die Schäden erst im Betrieb aufgetreten sind. Das wäre ein Indiz dafür, dass Laufzeiten bis zu 60 Jahren, von denen die Atomwirtschaft träumt, noch riskanter sind, als Kritiker ohnehin vermuten.
Die Untersuchungen, die in Beznau nun anstehen, seien „sehr umfangreich“, teilte die Atomaufsicht mit. Frühestens im ersten Quartal 2016 ist ihr Bericht fertig – so lange wird der Reaktor mindestens vom Netz bleiben.
Mit kreativen Aktionen hatten Schweizer Initiativen immer wieder auf das hohe Alter des Reaktorblocks hingewiesen. Die Schweizerische Energie-Stiftung meldete das Kraftwerk beim Guinness Buch der Rekorde an, denn kein anderes AKW auf der Welt habe je so viele Betriebsjahre erreicht. Inzwischen sind es 46. Das eidgenössische Parlament will den Reaktor noch bis zum Jahr 2029 am Netz lassen – also bis er 60 ist.