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Problem mit Israel, nicht mit Arafat

■ Scheich Dscharrar ist gegen eine Wahlbeteiligung von Hamas

taz: Warum beteiligt sich Hamas nicht an den Wahlen?

Scheich Bassam Dscharrar: Die Wahlen legitimieren das Autonomieabkommen von Oslo und die Nachfolgeabkommen. Das Parlament kann keine Entscheidungen treffen, die den Abkommen widersprechen. Angenommen, die Islamisten bekämen die Mehrheit. Was könnten sie tun? Selbst wenn das ganze Parlament aus Islamisten bestünde, müßte es die bindenden Abkommen fortführen, die von den Islamisten eigentlich abgelehnt werden. Sie hätten dem Volk nichts zu bieten, da Israel alles in den Händen hält, und müßten gleichzeitig den bewaffneten Kampf aufgeben.

Wie sieht die Strategie der Islamisten nach den Wahlen aus?

Die Islamisten haben kein Problem damit, wenn Arafat gewinnt. Deren Ziele sind nicht mit dessen Erfolg oder Mißerfolg verbunden. Wenn zum Beispiel die palästinensische Selbstverwaltung jetzt Teile des Westjordanlandes übernimmt, dann werden die Islamisten keine Operationen in diesen Gebieten durchführen. Das bedeutet aber nicht, daß sie nicht im Inneren Israels, etwa in Haifa, zuschlagen könnten. Die Islamisten haben ein Problem mit Israel, nicht mit Arafat.

Stellen sich die Islamisten mit dieser Entscheidung nicht ins politische Abseits?

Überall auf der Welt sind islamistische Bewegungen stark, auch wenn sie außerhalb des politischen Systems stehen. Ein Blick auf Ägypten oder Algerien beweist das. Islamistische Bewegung, das bedeutet eine totale Veränderung der Ideologie, des Erziehungswesens, wirtschaftlich oder sozial. Die Islamisten sind mehr als eine politische Bewegung. Erst wenn sie stark genug sind, nehmen sie am politischen System teil. Etwa wie jetzt in der Türkei.

Haben die Wahlen nicht zu einer Spaltung der Islamisten geführt? Einige Hamas-Mitglieder wollten kandidieren.

Die Strömung, die an den Wahlen teilnehmen wollte, war im Gaza-Streifen kurzfristig stark. Sie wurden aber von der Hamas-Führung außerhalb und im Westjordanland vom Gegenteil überzeugt. Unmittelbar vor den Wahlen war die Gefahr einer Spaltung vorhanden. Jetzt ist sie gebannt.

Und wie geht es weiter mit Arafat und den Islamisten?

Arafat wird durch die Wahlen gestärkt. Allerdings nicht genug, um mit den Islamisten eine direkte Konfrontation einzugehen. Die Islamisten könnten jederzeit eine Operation gegen Israel durchführen, wenn sie sich in die Ecke gedrängt fühlen. Das schwächt die Position der palästinensischen Regierung. Interview: Karim El-Gawhary

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