Pro und Contra: Und jetzt, ab in die Badewanne?
Wenn's draußen kälter wird, lassen sich drinnen viele gern heißes Wasser ein. Die Redaktion ist gespalten, ob das eine gute Idee ist.
rein da!
Noch immer suche ich nach der perfekten Wohnung, einer mit Doppel B: Balkon und Badewanne. Doch leider bleibt mir diese Combo, seit ich vor zehn Jahren bei meinen Eltern auszog, verwehrt. Nur für die ein oder andere Zwischenmiete lebte ich temporär mit ihr zusammen. Jedes Jahr im Winter vermisse ich sie. Wenn die Sonne sich kaum blicken lässt, die Wolkendecke drückt und der Tag aus mehr Dunkelheit als Licht besteht. Wenn mir einfach nicht warm werden will, weil die Kälte sich von innen so unter der Haut eingenistet hat, dass auch die aufgedrehte Heizung nichts bringt.
Dann muss ich mich in meiner Wohnung mit der zweitbesten Lösung abgeben. Ich dusche, wie ich baden würde: bis die Haut schrumpelig wird – und erhöhe die Temperatur, sobald sich mein Körper an den nächstwärmeren Strahl gewöhnt hat. Wohltuend, aber kein Ersatz.
Steige ich ins eingelassene Wasser, empfängt mich die Wanne in ihrer heißen Umarmung, die sich manchmal fast zu intensiv anfühlt. Dann kribbelt und brennt meine Haut. Das Licht gedämmt, beobachte ich die Flammen der Kerzen, forme Gebirgsketten aus Schaum, tauche unter die Oberfläche und verlasse kurz die Welt da draußen. Ich verfolge die Tropfen auf den Wänden – das Bad und ich, wir schwitzen beide. In der Badewanne kann ich planschen und weinen, lachen, Momenten der Einsamkeit begegnen, meinen Körper fühlen und loslassen. Sie fängt mich auf, wenn die tristen Wintertage mich feinfühliger für den Schmerz der Welt machen und meine Gedanken dunkel färben. Sie schenkt mir Geborgenheit.
Kein Wunder also, dass ich jede Gelegenheit zum Bad ergreife. Zum Glück finde ich sie immer wieder bei Freund*innen und Familie. Dort bade ich meistens alleine, manchmal auch zu zweit. Dann fühlt es sich an, als wäre ich wieder ein Kind. Mit Schaum malen wir uns Vollbärte und Schnauzer ins Gesicht.
Und wenn wie vergangenen Winter eine Horrornachricht die nächste jagt, hilft nichts so gut wie die Badewanne. Trumps Amtseinführung und das Kanzlerduell verfolgten mein Freund und ich aus dem heißen Wasser heraus mit Sekt und Pizza. Ein schräges Bild, aber so ließ sich das Ganze durchaus leichter ertragen. (Adefunmi Olanigan)
bitte nicht!
Für diesen Text habe ich mich extra noch einmal in die Badewanne gelegt. Wegen des Feelings. Ausgezogen habe ich mich aber nicht.
Ich liege also in der emaillierten Wanne, und? Und finde es hart. Kalt auch. Denn es ist kein Wasser drin. Die Wanne ist eine Kiste ohne Deckel, kein See. Die geflieste Wand darüber verspricht: nichts. Mein Blick wandert über den Putz. Da sind Risse. An der Decke verläuft das Abflussrohr des Stockwerks über mir. Darauf eine dicke Schicht Staub. Schon lange hat bei uns niemand mehr nach oben geschaut. Denn wir baden nicht mehr.
Gefragt, warum ich nicht bade, weiß ich nur eine Antwort: Weil ich mich langweile. Das ist die Wahrheit. Das war schon immer so. Das Gefühl stellte sich umgehend ein, kaum hatte ich mich ins Wasser gesetzt. Leute, die ihr psychologisches Wissen an den Ratgeberseiten von Frauenzeitschriften schulen, werden sagen: Sie hält es mit sich selbst nicht aus. Ich sehe das anders: Wenn ich mich schon langweile, dann möchte ich das nicht in einer Nasszelle tun. Dann möchte ich auf einer Bergwiese liegen. Oder am Strand.
Das ist alles, was ich zur Badewanne zu sagen habe. Meine Freundin weiß mehr. Früher, sagt sie, sei sie, wenn sie nichts vorhatte, gern mal in die Badewanne gestiegen. Mit Kerze und Duftschaum, mit Schaumwein und der neuen Emma in der Hand. Sie hielt das für ein gehobenes Abendprogramm. Aber kaum sei sie im Wasser gelegen und habe angefangen sich zu entspannen, sei das auch schon wieder kühl geworden. Oder – noch schlimmer – meldete sich die Blase. „Gut, man kann Pipi ins Badewasser machen, ist ja nicht schlimm“, sagt sie. Aber schon alleine das Nachdenken darüber hätte die Entspannung hinfällig gemacht. Ihr Fazit: Zu viel Aufwand für zu wenig Freude. „Kommt noch die sinnlose Vergeudung von Strom dazu.“
Wir sind schon lange ein Paar und ich erinnere mich an ihre Badewannensessions von früher.
Manchmal habe ich mich, wenn sie schon eine Weile in der Wanne lag, ausgezogen und bin zu ihr ins Wasser. „Ich fand das entzückend“, sagt meine Freundin, „aber kaum warst du drin, fingst du an rumzuhampeln.“ Ja, mein Herz, du hast recht. War so. Ich wusste einfach nicht, was ich da sollte. (Waltraud Schwab)
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