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■ Pro: Die Nato hätte das Belgrader Angebot für sich nutzen müssenWider den militärischen Automatismus

Die Nato reagierte prompt und ablehnend auf das Waffenstillstandsangebot Milosevic'. Doch war diese Reaktion wirklich politisch klug? Zweifel sind angebracht. Die Begründungen aus Brüssel, Washington und Bonn klingen plausibel. Tatsächlich bleibt die Belgrader Erklärung viele Antworten schuldig. Kein Wort über den Schutz der malträtierten Flüchtlinge vor Übergriffen, kein Wort über das sofortige Ende der Vertreibungen, halbherzig die Ankündigung eines Truppenrückzugs, mehrdeutig die erklärte Bereitschaft zu Verhandlungen über eine Rückkehr der Vertriebenen.

Dennoch hätte eine besser durchdachte Antwort der Nato einen Weg aus der politischen Sackgasse weisen können. Eine Feuerpause ist noch kein Friedensvertrag. Die Bedingungen für einen Waffenstillstand sind andere als jene für ein tragfähiges politisches Abkommen, das durch Verhandlungen erst erzielt werden muß. Der Sinn eines Waffenstillstandes besteht darin, eben solche Verhandlungen zu ermöglichen. Die unausweichliche Alternative zu einem Waffenstillstand hieße: Sieg oder Kapitulation.

Daß die Nato an der Stationierung einer eigenen Schutztruppe im Kosovo als zwingende Voraussetzung für die Einstellung ihrer Luftangriffe festhält, verfehlt den Zweck eines Waffenstillstandes. Diese Forderung war für Milosevic der entscheidende Grund, das Abkommen von Rambouillet abzulehnen und selbst das Risiko eines Nato-Angriffs in Kauf zu nehmen. So ist kaum damit zu rechnen, daß er ausgerechnet dies jetzt billigen wird. Im Gegenteil. Die Ablehnung der Offerte wird innenpolitisch seinen Rückhalt stärken. Für die meisten Serben geht es nicht mehr allein um das Kosovo. Die Nato zielt in ihren Augen auf die Zerstörung ihrer nationalen Existenz. Jedes getroffene Wohnhaus, jede beschädigte Brücke, jedes zivile Opfer der Luftangriffe nährt das Selbstverständnis als Märtyrer im ungleichen Widerstand gegen einen übermächtigen Gegner.

Der Westen hat immer betont, die Angriffe richteten sich nicht gegen das serbische Volk, sondern gegen dessen unnachgiebigen Regenten. Diese Unterscheidung wird dort längst nicht mehr geteilt. Selbst frühere Kritiker scharen sich inzwischen um das Regime.

Der Westen hat die politische Initiative aus der Hand gegeben. Mehr noch, er hat sich zur Geisel einer Entscheidung der serbischen Führung gemacht. Gebotene Korrekturen der politischen Ziele der Luftschläge sind nicht zu erkennen, obwohl durch Vertreibung und Flucht geschaffene Fakten innerhalb und im Umfeld des Kosovo nach neuen Handlungsmaximen verlangen. Clausewitz ad absurdum: Die Angriffe werden unvermindert in der Hoffnung fortgesetzt, es eröffneten sich dadurch vielleicht neue politische Optionen. Den geschundenen Opfern hilft dies wenig.

Die Nato muß sich entscheiden: Soll noch eine Vereinbarung mit Belgrad erreicht werden, oder will sie ihren Willen gegen Belgrad durchsetzen. Für den ersten Fall sollte der Westen dem unbefristeten und unzureichenden Angebot Milosevic' einen an konkrete, erfüllbare Bedingungen geknüpften Vorschlag für eine zeitlich befristete Feuerpause entgegensetzen. Schon binnen drei Tagen könnte die Ernsthaftigkeit Belgrads, die Truppen zurückzuziehen und die Gewalt der paramilitärischen Banden zu beenden, auf die Probe gestellt werden. Zugleich könnten diplomatische Kanäle geöffnet, erfahrene Vermittler eingeschaltet, dauerhafte Lösungen gesucht werden. Wird der militärische Automatismus nicht bald durchbrochen, droht auf dem Balkan eine Flutwelle nationalistischer Ressentiments, die neben Serbien und Montenegro auch Albanien, Bosnien und Makedonien erfassen kann. Vielleicht sogar Bulgarien, Griechenland und die Türkei.

Hans J. Gießmann arbeitet am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg

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