Pro & Contra: Müssen Polizisten geschützt werden?
Sind die Grünröcke längst Freiwild und müssen besser vor autonomen Jägern geschützt werden? Oder sind Polizeibeamte schon längst bestens abgesichert?
Ja, meint Heiko Wernig
Es steht nicht gut um das öffentliche Leben in Deutschland. Denn jene, die für seinen geordneten Ablauf sorgen sollen, trauen sich praktisch nicht mehr auf die Straße: unsere Polizisten. Und das trotz größtmöglicher Wertschätzung durch ihren Arbeitgeber, den Staat.
Denn schon bisher galt, wie Wolfgang Bosbach (CDU) zu Protokoll gab, für den Angriff auf Polizeibeamte eine Höchststrafe von zwei Jahren - aber "wenn ich ein Polizeiauto zerstöre, dann droht mir eine Haftstrafe bis zu fünf Jahren". Dies sei eine "Politik paradox". Stimmt: denn ein Polizeiauto kann ja vier Beamte, manchmal sogar noch mehr, gleichzeitig befördern.
Trotz dieser Wertschätzung, so FDP-Rechtsexperte Jörg van Essen, "werden die Polizisten immer mehr zum Freiwild". Es droht also, wie einst bei Elefant und Krokodil, die Überjagung, womöglich in der Folge gar die Ausrottung. Wir haben aber die Uniformen nur von unseren Kindern geerbt!
Nur strengste Schutzmaßnahmen können noch helfen, das Schlimmste zu verhindern. Parallel zu einem Verbot des Polizistenhandels wäre vor allem die Einrichtung von Schutzgebieten zu erwägen, in denen die Bestände sich langsam wieder erholen können.
Gleichzeitig müssen die Lebensgrundlagen für die Grünröcke überhaupt erst mal wieder hergestellt werden, sonst nutzt auch eine spätere Auswilderung nichts. Vielleicht könnten sich Staat und Gesellschaft in der Zwischenzeit ja darum kümmern: eine gerechtere Sozialpolitik, Zugang zu Bildung auch für das Prekariat, sinnvolle Integration von Zuwanderern, maßvolle städtebauliche Planungen samt sozialem Wohnungsbau statt Gentrifizierung. Das wären erfolgversprechende Maßnahmen zum Biotopschutz, die die Bedrohungsfaktoren für unsere putzigen Gesellen erheblich mindern könnten.
Das wird natürlich eine lange und harte Zeit für alle, deren vornehmliche Lebensgrundlage derzeit die Beamten bilden. Aber, liebe Autonome, keine Sorge: Später kann man dann sicher auch wieder über eine nachhaltige Nutzung der Ressource Polizei nachdenken. Ihr müsstet halt nur ein bisschen sorgfältiger mit ihnen umgehen.
Nein, meint Otto Diederichs
Spucken - schlagen - meckern: Angriffe auf Busfahrer, SozialarbeiterInnen, Beschäftigte des Ordnungsamtes, PolizistInnen - Amtspersonen eben: sie nehmen zu. Die Gesellschaft verroht. So ist es jedenfalls alle paar Tage zu lesen und hören. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat hierzu in Berlin gerade eine Sicherheitskonferenz abgehalten. 25.000 Unterschriften für eine Gesetzesinitiative zur Strafverschärfung bei solchen Delikten hat man schon. Ab 50.000 muss sich der Bundestag damit beschäftigen. Da war Wolfgang Bosbach (CDU), seit knapp drei Wochen Vorsitzender des Innenausschusses, aber schneller.
Kaum im Amt, erkannte auch er akuten Handlungsbedarf - insbesondere natürlich bei Angriffen und Widerstandshandlungen gegen die Polizei. Die gegenwärtigen Regelungen würden "den Taten nicht mehr gerecht", erklärte er. Und schon Anfang nächsten Jahres, so ist zu hören, will Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dazu einen Gesetzentwurf vorlegen.
Im Souffleurkasten dieser Ideen saß die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Sie fordert bereits des Längeren - und gegenwärtig vehement - die Einführung eines neuen Paragrafen im Strafgesetzbuch. Er soll "Angriffe aus dem Nichts" auch dann unter eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren stellen, wenn BeamtInnen dabei nicht verletzt wurden. Nur so, sagt der GdP-Bundesvorsitzende Konrad Freiberg, bekomme man "hinterhältige Attacken besser in den Griff".
Sicherheit für eigene Mitglieder und andere zu fordern, ist das gute Recht von Gewerkschaften. Der aktuelle Vorstoß indes zielt wieder mal in die falsche Richtung: Körperverletzung ist bereits strafbewehrt; bei PolizistInnen kommt verschärfend noch Widerstand gegen die Staatsgewalt dazu.
Was also soll der Quatsch? Wenn man den Täter dingfest machen kann, bekommt er ohnehin schon mächtig Ärger. Es ist eine der üblichen Luftnummern, mit der Regierungen richtig doll feste, aber sinnlose Entschlossenheit demonstrieren. Aber was macht Ver.di in diesem Verbund?
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