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Pro & Contra FehmarnbeltquerungEin Tunnel nach Dänemark?

Am Dienstag beginnen in Lübeck die öffentlichen Anhörungen zum Tunnel unter dem Fehmarnbelt. Der Streit darüber geht auch durch die taz-Redaktion.

Könnte der Tunnel mit Fehmarn verbinden: die dänische Insel Lolland Foto: dpa

Ja, der Tunnel rückt Europa enger zusammen

Trockenen Fußes von Hamburg nach Kopenhagen – das ist ein uralter Traum. Denn Fähre fahren nervt.

Die Scandlines-Fähren von Puttgarden nach Rødby fahren zwar häufig, aber an den wichtigen Tagen im Jahr – Ferienbeginn, Bettenwechsel, Ferienende – wartet man lange. Manchmal sagt der Ticketverkäufer, um „Vierdelnachfünf“ könne man mitkommen, und dann fährt um diese Zeit gar keine Fähre ab. Oder es wird irgendeine andere Wartespur vorgewinkt, und schon wird’s „vierdelvorsieben“. Hat man eine feste Abfahrt gebucht, gerät man garantiert auf der engen Landstraße auf Fehmarn erst in den Stau, dann in Stress – und verpasst sie am Ende doch.

Aber ist eine Fährfahrt nicht so romantisch, dass der Urlaub schon an Bord beginnt? Quatsch: Die Fähre Puttgarden–Rødby ist Nervkram pur. Die Zeit reicht kaum, um sich bis zu Pølser und Pommes durchzukämpfen. Von Sturm ganz zu schweigen, wenn die Kotze nicht seefester Passagiere schon mal vor den Toiletten im Takt der Wellen hin- und herschwappt. Und einfach im Auto sitzen bleiben und ausruhen? Natürlich verboten! Duty Free gibt’s auch längst nicht mehr.

Seit es die Öresundbrücke von Dänemark nach Schweden gibt, kann man die Freiheit genießen: Welch ein erhabenes Gefühl, wenn sich der Tunnel öffnet und die mächtigen Stahltrossen sich zu den Spitzen der Brückenpfeiler aufschwingen! Was für ein Blick über die Ostsee!

Alles nur Touristen-Befindlichkeiten? Beileibe nicht. Es geht um nicht weniger als die europäische Integration. Natürlich stecken hinter den Fehmarnbelt-Plänen handfeste Wirtschaftsinteressen. Die dänische Regierung rechnet sich für ihre Unternehmen bessere Marktchancen aus, wenn sich die Fahrt etwa nach Hamburg um eine Stunde verkürzt. Da ist sie sich so sicher, das sie sogar das ganze Risiko allein trägt.

Natürlich wäre es seriöser, der dänische Staat würde einfach zahlen, statt für ein Betreiberkonsortium zu bürgen. Aber es ist eben durchaus vorstellbar, dass die feste Querung sich betriebswirtschaftlich nicht rechnet, volkswirtschaftlich dagegen schon. Man nennt es Wirtschaftsförderung. Die traditionell gesunden dänischen Staatsfinanzen werden’s verkraften, denn die Wirtschaft brummt.

Schofel ist, dass Deutschland sich so gar nicht für seine Nachbarn zu interessieren scheint und zum eigentlichen Bauwerk keinen Cent dazubezahlen möchte. Das ist „Mia san Mia“-Verkehrspolitik.

Aber man muss gar nicht zu derart schnöden Begründungen greifen, um für den Tunnel zu sein: Es ist gut für den europäischen Zusammenhalt, wenn Länder enger aneinander rücken. Mehr noch als für Deutsche und Dänen gilt das für die Schweden, die sich, je nach politischer Einstellung, entweder latent abgehängt fühlen oder eben gerade die Isolation schätzen. Für sie war schon die Öresundbrücke psychologisch ein riesiger Schritt nach Europa, die Fehmarnbeltquerung wäre ein noch größerer.

Jan Kahlcke fährt jeden Sommer in sein Ferienhaus in Schweden

Nein, der Tunnel ist sinnlos

Der Tunnel im Fehmarnbelt ist sinnlos. Er ist ein Überbleibsel aus der Zeit des geteilten Europa, für den es heute keinerlei Bedarf gibt. Die prognostizierten Verkehre rechtfertigen nach deutschem Planungsrecht nicht mal eine Ortsumgehung, geschweige denn eine überdachte, grenzüberschreitende Autobahn. Der Bau des längsten Absenktunnels der Welt mag ein paar Ingenieure glücklich machen – in erster Linie aber soll er dänische, schwedische und deutsche Baukonsortien und Banken reich machen. Der Tunnel ist ein Goldesel, gefüttert von dänischen Steuerzahlern, die sich in ein paar Jahren nicht mal mehr die Smør für ihr Brød werden leisten können. Das dänische Staatsgarantiemodell ist ein Blankoscheck zur Privatisierung öffentlicher Gelder.

Verkehrspolitisch ist der Tunnel nicht begründbar, nicht einmal mit künstlich erzeugten zusätzlichen Verkehren sind die Amortisierungsziele zu erreichen. Auch für den Wirtschaftsverkehr per LKW und Bahn wird er nicht gebraucht: Die jetzige Fährverbindung ist leistungsstark, die Bahnstrecke über Flensburg noch gar nicht ausgereizt. Widersinnig gar ist die Doppelbödigkeit der offiziellen dänischen Argumentation: einerseits die freie Fahrt vom Nordkap bis nach Sizilien feiern, andererseits die Grenzen für Asylsuchende dicht machen. Das ist der Zynismus von Menschen, in deren Brust ein Geldbeutel pulsiert.

Das klammheimliche Eingeständnis, dass der Tunnel ein Minusgeschäft für den dänischen Staat werden wird, ist das Baggern um Milliardenzuschüsse von der EU. Die aber wird es in der erhofften Höhe kaum geben, erst recht nicht, wenn die Reederei Scandlines mit ihrer Klage Erfolg haben sollte. Sie wehrt sich dagegen, als gesundes Unternehmen mit staatlichen Subventionen aus dem Markt gedrängt zu werden. Es ist die Berufung auf die reine Lehre des freien Wettbewerbs, den die Tunnelbauer scheuen: Ohne Geld aus Brüssel bricht das Kartenhaus ihrer Kalkulation zusammen – der Absenktunnel wird versenkt.

Und das wäre die frohe Botschaft für die gesamte Region zwischen Fehmarn und Lübeck. An die drei Milliarden Euro würden Deutschland und Deutsche Bahn aus dem Fenster werfen für Verkehrswege, die sie mangels Bedarf freiwillig niemals bauen würden. Dabei ist der ökonomische Schaden für die Ostseebäder an der Lübecker Bucht noch gar nicht absehbar: Entweder verlieren sie Touristen und damit ihre Haupteinkommensquelle, weil alle paar Minuten lärmende Güterzüge strandnah durch die Orte donnern, oder sie verlieren Feriengäste, weil die Bahnhöfe an eine neue Strecke kilometerweit ins Binnenland verlegt werden – eine Urlaubsregion würde zur Kulisse für den Durchgangsverkehr degradiert.

Der Tunnel im Fehmarnbelt – das teuerste und schädlichste EU-Verkehrsprojekt – nutzt nur sehr wenigen und schadet fast allen. Da ist was faul im Staate Dänemark.

Sven-Michael Veit stammt von der Lübecker Bucht und möchte wieder dorthin übersiedeln

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6 Kommentare

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  • Für die Umwelt ist es ja viel besser, wenn weiterhin Fähren mit ihren Schiffsdieselmotoren mehrmals stündlich über den Fehmarnbelt verkehren. Dann haben wenigstens die Vögel im Fehmarnbelt was von den Abgasen der Fähren.

     

    Hauptsache dagegen!

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Die Brücke über den StoreBælt wurde ähnlich alternativlos dargestellt. Sie war hinterher so teuer, das viele Dänen sie nicht benutzen wollten. Uns war sie auch immer zu teuer.

    Der Tunnel wird ähnlich unbezahlbar sein, damit fällt für uns diese Alternativroute nach Langeland aus.

    Die Fährverbindung nach Rødby war außerdem für uns als Skandivienfahrer immer eine nette Pause auf der Tour.

    Die Kosten für den Steuerzahler und Folgeschäden für die Region sind gigantisch.

    Für mich ein sinnloses Projekt zur Plünderung öffentlicher Kassen. Genau wie S21, BER und die Elphi

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Die Berliner Kanalisation war großen Bedenken ausgesetzt, als sie gebaut werden sollte, ab 1873 etwa.

     

    Die Bevölkerung stand dem Projekt zunächst skeptisch gegenüber. Es galt als unfinanzierbar. Außerdem bildete beispielsweise die Berufsgruppe der Abfuhrunternehmer (diejenigen, die die Latrinen und Sickergruben abpumpten und den menschlichen Unrat abtransportierten) eine starke Lobby gegen ein fortschrittlicheres Entwässerungssystem.

    http://www.fu-berlin.de/presse/publikationen/fundiert/archiv/2004_02/04_02_krzywanek/index.html

     

    Ja, ja, es waren auch Arbeitsplätze in Gefahr.

     

    Was zählten demgegenüber Hygiene, sauberes Wasser, Eindämmen von Epidemien wie Cholera, Ruhr und Beseitigung des alltäglichen Gestanks und der Fäulnis in den Strassen ?

     

    Warum mir das bei der Fehmarnuntertunnelung einfällt ? Wahrscheinlich weil die Interessen von Transportunternehmen überbewertet sind ...

  • Nichts für ungut, aber ich habe nicht den Eindruck, daß Jan Kahlke die Situation im Zusammenhang mit dem ganzen Projekt feste Beltquerung wirklich überblickt, er fährt ja nur durch Ostholstein (OH) um nach Schweden zu kommen. Ich lebe seit einigen Jahren in OH und bin, glaube ich, mehr in der Materie um sagen zu können, daß dieses absolut unnötige Mammutprojekt die Ostsee und Ostseeküste von Lübeck bis Fehmarn über Jahrzehnte schädigen wird, ökologisch, wie ökonomisch. Außerdem gibt es nicht nur die Millionen die Dänemark, mit Hilfe aus Brüssel ( also auch deutsches Geld ) aufbringen will. Die Millionen für die "Hinterlandanbindung" von Hamburg bis Fehmarn zahlt der deutsche Steuerzahler. Wer sich wirklich für das Thema interessiert: http://www.beltretter.de

    Ansonsten gibt es Mittel gegen Seekrankheit, was ist mit den Menschen, die Tunnelangst haben?

  • Ich halte nichts, aber wirklich garnichts von den Leuten, die jede von monetär interessierten Kreisen propagierte Veränderung prinzipiell als "Fortschritt" ausgeben und bereit sind, für eine Stunde (oder meinetwegen auch zwei) erhoffter Zeitersparnis den Globus ohne Rücksicht auf Verluste umzukrempeln.

     

    Merke: Verkehr, vor allem überflüssiger, entsteht nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Gelegenheit. Wir haben jetzt schon viel zu viel davon.

  • Ich halte nichts, aber wirklich garnichts von den Leuten die immer gegen den Fortschritt, in diesem Falle gegen den Tunnelbau sind. Die Argumente zum Nichtbau des Tunels sind doch jedenfalls aus der Luft gegriffen. Wenn es ein paar Urlauber stört wenn ein Zug vorbeifährt, dann können sie doch zwei bis drei Kilometer ausweichen. Darin sehe ich kein Problem. Es wird auch kein ökonomischer Schaden entstehen, eher das Gegenteil wird einteten, es werden durch die Bahn vielmehr Touristen aus aller Welt kommen. Zudem können Autoreisezüge fahren, während die Autos die Umwelt weiterhin vielmehr belasten. Außerdem rücken die Menschen näher zusammen, was für unser europäisches Verständnis sehr wichtig ist.