Privatschulen und Einkommen: Kostspielige Bildung
Kinder aus einkommensschwachen Familien besuchen seltener Privatschulen, da das Schulgeld zu hoch ist. Das widerspricht dem Grundgesetz.
Nachdem die Sozialforscher im Jahr 2016 in einer Untersuchung festgestellt hatten, dass die Mehrheit der Bundesländer bei der Genehmigung von privaten Ersatzschulen Vorgaben des Grundgesetzes missachten, haben sie nun untersucht, welche Folgen das hat.
Sie suchten sich für ihre Studie drei Prototypen aus: „Der erste Typ ist Baden-Württemberg, dort soll es bald gesetzliche Regelungen geben“, so Michael Wrase, einer der Autoren der Studie. Mit dem zweiten Typen sind Bundesländer wie Berlin erfasst, bei denen es lediglich Verwaltungsrichtlinien gibt. Für das dritte Modell steht Hessen, dort gibt es keine Regelungen.
In Berlin gehen mehr als 10 Prozent der Kinder auf eine Privatschule. Die Höhe des zulässigen Schulgelds ist durch Vorgaben auf Verwaltungsebene geregelt. Demnach sind bei einem Bruttojahreseinkommen einer Familie bis 29.420 Euro Schulgebühren von maximal 100 Euro monatlich erlaubt. Von 94 privaten Grundschulen halten sich 30 an die Vorgaben, von 67 Sekundarschulen nur 21. Dass die Gebühren für einkommensschwachen Familien zu hoch sind, machen die Forscher am Anteil der lernmittelbefreiten Schüler fest: An öffentlichen Grundschulen müssen rund 36 Prozent der Schüler nicht für Bücher bezahlen, an privaten sind es lediglich 7 Prozent. Lernmittelbefreit sind Schüler, deren Eltern staatliche Unterstützung bekommen.
In Hessen gibt es gar keine Vorgaben für private Ersatzschulen, sondern lediglich Einzelfallprüfungen. Daher verstoßen die meisten Schulen gegen das im Grundgesetz verankerte Sonderungsverbot. Fast die Hälfte der freien Schulen erhebt Gebühren von über 200 Euro monatlich. Bei 18 Prozent aller Privatschulen bezahlen die Eltern sogar 300 bis 600 Euro pro Monat. Nur an der Hälfte der Schulen werden die Gebühren einkommensschwachen Familien erlassen. Mit Aufnahmegebühren von rund 500 Euro oder einem verpflichtenden Beitrag für einen Förderverein entstehen zusätzlich verdeckte Schulgebühren.
Die Forscher kritisieren, dass Schulen in freier Trägerschaft oft durch hohe Schulgebühren und die gesetzliche Förderung mehr Geld als öffentliche Schulen erhalten.
Als Vorbild gilt dagegen Baden-Württemberg: Ein Gesetzentwurf sieht ein Schulgeld von maximal 160 Euro monatlich vor. Die Gebühren dürfen nicht mehr als 5 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens betragen. Die Schulaufsicht soll das kontrollieren.
Der Verband Deutscher Privatschulverbände kritisiert, dass Schüler und Eltern von Privatschulen nicht in die Studie miteinbezogen wurden. Dies führe zu realitätsfernen Ergebnissen. Präsident Klaus Vogt weist darauf hin, dass Privatschulen stark unterfinanziert sind: „Durch eine ausreichende staatliche Finanzierung privater Schulen könnte auf die Erhebung von Schulgeld weitgehend verzichtet werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin