Privatisierung: Genossen wollen Bahn-Verkauf stoppen
SPD-Landesparteitage fordern eine Debatte über eine Privatisierung beim Bundesparteitag. Doch der Verkehrsminister will vorher Fakten schaffen.
In der SPD wächst die Kritik an der geplanten Privatisierung der Bahn. Als dritter Landesverband hatten die Berliner Genossen am vergangenen Wochenende den Plänen der Bundesregierung eine Absage erteilt. Bereits zuvor hatten die Landesparteitage der SPD in Brandenburg und dem Saarland sich für einen kompletten Verbleib der Bahn in öffentlicher Hand ausgesprochen. In Baden-Württemberg wird am Wochenende ein ähnlicher Beschluss erwartet.
Ein Verkauf sei "nicht im Interesse der Allgemeinheit", sondern käme einer "mit Steuermitteln finanzierten Subventionierung von Aktionärsdividenden gleich", heißt es im Beschluss des Landesverbands Saar. Auch beim Bundesparteitag Ende Oktober wird über die Frage debattiert werden: Die brandenburgische SPD hat beantragt, die Forderung nach einer Bahn in öffentlichem Eigentum ins neue Grundsatzpapier der Partei aufzunehmen.
Doch dann könnte es schon zu spät sein. Bereits am 24. Juli soll das Privatisierungsgesetz vom Bundeskabinett beraten werden, bestätigte Dirk Inger, Sprecher von Minister Wolfgang Tiefensee (SPD), der taz. Nachdem rechtliche Bedenken aus anderen Ressorts ausgeräumt worden sind, gilt eine Zustimmung als sicher.
Wenn aber das Kabinett erst einmal einen Entwurf verabschiedet hat, sind Änderungen nur noch mit Zustimmung des Koalitionspartners möglich. Nach der Sommerpause könnte das Gesetz dann in Bundesrat und Bundestag gehen. Ein Abschluss des Verfahrens ist nach Einschätzung aus Regierungskreisen bis Jahresende möglich.
Das Bündnis "Bahn für alle", in dem sich Umweltverbände, Globalisierungskritiker und Gewerkschaften gegen die Bahn-Privatisierung engagieren, forderte einen Aufschub der Entscheidung. "Wenn die SPD Demokratie ernst nimmt, muss sie einen Beschluss des Parteitags abwarten", sagte Bündnis-Sprecher Klaus Ihlau.
Auch bei Teilen der SPD-Bundestagsfraktion sorgt der Zeitplan des Ministeriums für Empörung. "Das ist der Versuch, noch vor dem Parteitag vollendete Tatsachen zu schaffen", sagte der Abgeordnete Hermann Scheer der taz. Bei der Fraktionssitzung am Dienstag versuchte eine Gruppe von 21 SPD-Parlamentariern - darunter die designierte Vizeparteivorsitzende Andrea Nahles - den Kabinettsbeschluss zu stoppen, bis wenigstens die Fraktion darüber debattiert und abgestimmt hat. Das sei im November so beschlossen worden, schreiben die Abgeordneten in einem Brief an die Fraktion, der der taz vorliegt.
Sie kritisieren, "dass die Frage, ob die Deutsche Bahn überhaupt (teil-)privatisiert werden soll, nie ergebnisoffen debattiert und entschieden worden ist - weder in unserer Partei noch in unserer Fraktion". Geprüft worden seien lediglich "Privatisierungsvarianten", aber nicht die Frage, "ob die Bahn überhaupt privatisiert werden soll und welche mittel- bis langfristigen Auswirkungen eine Privatisierung dieser [] Infrastruktur nach sich ziehen wird".
Der Fraktionsvorstand weigerte sich nach Berichten von Teilnehmern jedoch, über den Antrag abstimmen zu lassen, was zu heftigen Wortgefechten geführt haben soll. Statt einer Entscheidung bei der Fraktionssitzung sollte es eine - unverbindliche - Diskussion am Donnerstagabend geben.
Herrmann Scheer ist dennoch optimistisch, das Gesetz noch stoppen zu können. "Die Mehrheit der SPD-Abgeordneten ist ablehnend bis skeptisch", sagte er. Durch äußeren Druck sei allerdings die "Meinungsmehrheit nicht immer identisch mit den Abstimmungsergebnissen". Die Beschlüsse der Landesverbände seien darum sehr hilfreich. "Je mehr ins Spiel kommen, desto schwieriger wird es, das Gesetz durchzudrücken."
Der Entwurf des Gesetzes sieht vor, dass bis zu 49,9 Prozent der Bahn AG an private Investoren veräußert werden. Das Schienennetz bleibt Eigentum des Staates, kann aber für 15 Jahre von der Bahn bewirtschaftet und bilanziert werden. Danach soll das Netz an den Bund zurückfallen, sofern der Bundestag keine Verlängerung beschließt. Bisher war geplant, dass die Bahn während dieser Zeit pauschal 2,5 Milliarden Euro jährlich vom Bund erhält. Am Donnerstag kündigte Tiefensee an, dass dieser Zuschuss im Lauf der Jahre wie von der Union gefordert "allmählich abgesenkt" wird.
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