Privatisierung gescheitert: Arzneimittelaufsicht bleibt staatlich
Die SPD will die Medikamentenkontrolle privatisieren. Der Plan scheitert ausgerechnet an der marktgläubigen Union.
BERLIN taz Nach heftigem Streit in der Koalition ist der Umbau der Arzneimittelaufsicht gescheitert. "Es bleibt so, wie es ist", sagte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) am Donnerstag. Das Gesundheitsministerium hatte geplant, das bisher für die Zulassung und anschließende Überwachung von Medikamenten zuständige Bundesinstitut in eine weitgehend privatwirtschaftlich organisierte Agentur umzuwandeln: die Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur (Dama).
Die Agentur sollte hauptsächlich über Gebühren der Pharmaindustrie finanziert werden. Ihre Einrichtung ist ein Bestandteil des Koalitionsvertrags von Union und SPD, auch das Kabinett hatte das Gesetz bereits Ende 2006 beschlossen. Doch nach heftiger Kritik seitens der Union ist der Umbau nun auf Eis gelegt. Gesundheitsministerin Schmidt hatte sich von dem Umbau versprochen, dass die Zulassungszeit für Medikamente verkürzt wird. Zudem sollte der Pharmastandort Deutschland und die mittelständische Industrie gestärkt werden.
Ausgerechnet die Union bekam hierbei jedoch Magenschmerzen: Sie äußerte Zweifel an der Unabhängigkeit einer von der Wirtschaft finanzierten Agentur und warnte davor, dass Medikamente unsicherer werden können. Ihr Argument: Zumindest für die Überwachung von Risiken und Nebenwirkungen müsse weiter der Staat zuständig sein.
Unterstützung bekam sie von Pharmakologen und Ärzten. "Für die Überwachung der Sicherheit brauchen wir weiter eine staatliche Aufsichtsbehörde", sagte Peter Schönhöfer der taz, Pharmakritiker bei Transparency International. Eine Agentur hätte "schnelle und industriefreundliche Entscheidungen" getroffen, die das Risiko von arzneimittelbedingten Erkrankungen erhöht hätten. Schon heute müssen nach Schätzungen des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen 80.000 Patienten jährlich wegen Nebenwirkungen ins Krankenhaus.
Das Gesundheitsministerium wies solche Befürchtungen zurück. Mit der Schaffung der Arzneimittel-Agentur wäre es leichter gewesen, die Arzneimittelaufsicht effektiver zu organisieren, sagte Ministerin Schmidt. Nun will sie das Bundesinstitut weiterentwickeln, ohne aber Details zu nennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr