piwik no script img

Private PflegeversicherungKeiner will den „Pflege-Bahr“

Der „Pflege-Bahr“ verspricht einen Zuschuss zur privaten Pflegezusatzversicherung. Die Werbung dafür läuft, nur abschließen kann man die Policen noch nicht.

Gesundheitsminister Daniel Bahr gab dem „Pflege-Bahr“ seinen Namen. Bild: dapd

BERLIN taz | Mit kuscheligen Plakaten, auf denen drei Generationen abgebildet sind, wirbt das Bundesgesundheitsministerium für die staatliche Förderung der neuen privaten Pflegezusatzversicherung. Ab Januar 2013 gilt das Gesetz zum sogenannten Pflege-Bahr, der nach dem Gesundheitsminister benannt wurde. Doch die Versicherungskonzerne zögern mit der Entwicklung entsprechender Policen.

Laut Gesetz erhalten die Kunden der neuen privaten Zusatzversicherung ab Januar eine staatliche Förderung von monatlich 5 Euro, wenn sie selbst einen Beitrag von mindestens 10 Euro zahlen. Dafür sollen sie dann eine Zusatzversicherung kriegen, die im Ernstfall zumindest teilweise für die hohen Eigenkosten aufkommt, die von der bereits existierenden gesetzlichen Pflegeversicherung nicht abgedeckt werden.

Auf den Werbeplakaten zum „Pflege-Bahr“ gibt es sogar die Nummer einer Hotline. Nur erfährt man dort nicht, wo man diese Versicherung ab Januar 2013 abschließen kann. Denn die Unternehmen zögern mit der Entwicklung einer solchen Police, weil die Bedingungen heikel sind. Die Konzerne müssen durch den gesetzlich vorgegebenen „Kontrahierungszwang“ jeden in eine solche Versicherung aufnehmen und dürfen keine Risikozuschläge aufgrund einer Gesundheitsprüfung verlangen.

Der Kontrahierungszwang stelle „besondere Anforderungen an die Unternehmen“ und werde die Produkte „verteuern“, erklärt Dominik Heck, Sprecher des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV). „Wann wir die Tarife einführen, steht noch nicht fest“, sagt Isa Hesener, Sprecherin bei Axa-Versicherungen. Man werde „im Laufe des kommenden Jahres“ mit einem Produkt auf den Markt kommen, erklärt Udo Rössler, Sprecher bei der Allianz-Versicherung.

Versicherer fürchten hohe Kosten

Keiner wage sich gern aus der Deckung, sagt die Sprecherin eines weiteren Konzerns. Denn die Unternehmen befürchten, dass vor allem Menschen mit gesundheitlichen Problemen, die derzeit von keiner privaten Pflegezusatzversicherung aufgenommen werden, die neue Police in Anspruch nehmen und dann später hohe Kosten verursachen könnten.

„Wir haben dieses Thema erst für das nächste Jahr auf der Agenda, momentan liegt unser Schwerpunkt noch auf der Einführung der Unisex-Tarife für die private Krankenversicherung“, so Ralf Gebhardt, Leiter des Produktmanagements der Gothaer Krankenversicherung.

Ab 21. Dezember dürfen Versicherungskonzerne für Neuverträge in der Kranken-, Renten-, und Lebensversicherung keine Tarife mehr anbieten, die zwischen Männern und Frauen unterscheiden. Durch die Angleichung mit den „Unisex-Tarifen“ werden private Renten- und Krankenversicherungen für die Männer teurer. Die Barmenia-Versicherung etwa berechnet auf ihrer Homepage ein Beispiel für eine private Krankenversicherung, nach dem Männer, die jetzt abschließen, gegenüber später einen Beitragsvorteil von 93 Euro im Monat haben.

Günstigere Versicherungen für Frauen?

Inwieweit Frauen künftig im Gegenzug billigere private Kranken- und günstigere Rentenversicherungen bekommen, wird bei den Versicherungen nicht genauer angegeben. Beitragsanhebung auf der einen und Beitragsnachlass auf der anderen Seite werden sich „nicht die Waage halten“, sagt Hasso Suliak, Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Unternehmen müssten „Unsicherheitszuschläge“ mit einkalkulieren, das mache die Produkte teurer.

Susanne von Cleve, Sprecherin der Verbraucherzentrale in Berlin, warnt Männer davor, angesichts der Unisex-Tarife vorschnell eine private Versicherung abzuschließen. Beim Wechsel von einer gesetzlichen in eine private Kasse etwa sei eine „Schnäppchenmentalität fehl am Platz“. Nur wenn eine private Krankenversicherung ohnehin geplant sei, lohne sich für die Männer ein rascher Abschluss.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • A
    aurorua

    So wie Riester (der Plattenleger bei Union Investment) sorgt auch Bahr für ein Pöstchen danach in der Versicherungswirtschaft.

  • AJ
    Andreas J

    Pflege-Bahr? Krankhaft eitel!

  • TL
    Thomas Ludolph Privamed24

    Die geförderte Pflegezusatzversicherung ist schlicht und einfach für die privaten Krankenversicherer uninteressant. Der Gesetzgeber hat nämlich an die Förderung ein Verzicht auf die Gesundheitsfragen beim Abschluss einer solchen Pflegezusatzversicherung gefordert. Somit wird das Risiko für die Versicherer unkalkulierbar. Also lässt man sich ersteinmal Zeit mit der Einführung der für die Versicherer wahrscheinlich sehr unprofitablen geförderten Pflegezusatzversicherung. In der privaten Krankenversicherung werden entgegen den Erwartungen die Beiträge für Frauen nicht günstiger, da die PKV-Versicherer bei günstigeren Beiträgen für Frauen eine Massenflucht aus den jetzt noch aktuellen PKV-Tarifen in den neuen Unisextarife befürchten. Da ein solcher PKV Tarifwechsel ohne Gesundheitsprüfung möglich ist, werden die PKV-Unisextarife schlicht und einfach teurer gemacht, um dies zu verhindern. Den PKV Versicherten wird dies natürlich unter einer anderen Argumentation verkauft. Eine Absenkung des Rechnungszinses, sowie ein Kalkulationsaufschlag in den PKV Unisextarife werden als Gründe angeführt.