Private Firma interessiert an Kopfbahnhof: Befürworter könnten S21 kippen
Privatbahnen wollen die oberirdischen Gleise des Kopfbahnhofs erhalten und drohen mit Klage. Wenn sie recht bekommen verlieren die Befürworter ihr wichtigstes Argument.
STUTTGART taz | Es war bislang das entscheidende Argument für die Befürworter von Stuttgart 21: Wenn der derzeitige Bahnhof samt Zu- und Abfahrtsgleisen unter die Erde verlegt wird, werden große Flächen frei, die der baden-württembergischen Landeshauptstadt ein enormes Entwicklungspotenzial bieten würden. Innerhalb des Stuttgarter Kessels könnte ein ganz neues Stadtviertel entstehen. Doch genau dieser Plan könnte nun durchkreuzt werden.
Denn laut dem Allgemeinen Eisenbahn-Gesetz (AEG) dürfte das Gleisvorfeld nur dann stillgelegt und entwidmet werden, wenn sich kein anderer Nutzer dafür finden lassen würde. Und genau dieser andere Nutzer befindet sich derzeit in Gründung: die Stuttgarter Netz AG.
Sie ist ein Zusammenschluss von zwei Privatbahngesellschaften und fünf Privatpersonen und hat ihr Interesse an der Gleisfläche angemeldet - "weil der unterirdische Bahnhof die erforderlichen Kapazitäten nicht aufweist", sagt der Aufsichtsratsvorsitzende der Netz AG, Alexander Kirfel. Außerdem könnten dieselbetriebene Züge nicht in den Tiefbahnhof einfahren, was für manche Fahrgäste zusätzliche Umstiege bedeuten könnte.
Kein Gegner des Bahnprojekts
Kirfel betont, dass er nicht antritt, um S21 zu stoppen. Er sei kein Gegner des Bahnprojekts. "Es spricht einiges dafür, zusätzliche Kapazitäten unterirdisch zu schaffen", sagt er. Aber wofür gar nichts spreche, sei ein Abbau, wie es derzeit geplant ist. Den wollen er und seine Mitstreiter mit einem oberirdischen Weiterbetrieb verhindern.
Wie jetzt bekannt wurde, hat die Bahn tatsächlich noch keine Genehmigung für den Rückbau der alten Gleise. Die Bahn vertritt die Ansicht, dass dafür kein Stilllegungsverfahren notwendig wäre, weil die Gleise ja nur verlegt und unterirdisch weiterbetrieben würden. "Alle Strecken werden weiter bestehen bleiben", sagte der S21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich dem SWR.
Zumindest könnte aber ein so genanntes Freistellungsverfahren notwendig werden. Bei diesem wird geklärt, ob die Eisenbahn-Infrastruktur entwidmet, die Fläche also für andere Zwecke verwendet werden darf. Auch hierfür wäre die Bedingung, dass kein Dritter ein Nutzungsinteresse bekundet.
Kirfel ist sich damit sicher, dass zumindest ein Teil der oberirdischen Gleise bestehen bleiben wird. Noch ist die Stuttgarter Netz AG eine Vorgesellschaft. Sobald sie ins Handelsregister eingetragen und rechtsfähig ist, will sie die Frage juristisch klären lassen.
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