: Prinzipienfrage
Warum Senator Kewenig partout abschieben will ■ K O M M E N T A R
„Nur“ 6,2 Prozent der Asylbewerber wurden zur Ausreise aufgefordert, brüstet sich Innensenator Kewenig in seinem Schlußbericht über die „Umsetzung“ der sogenannten Altfallregelung und wertet diese Zahl als Zeichen seiner „Humanität“. 3.959 Flüchlinge dürfen nach dieser Weisung bleiben, 269 Menschen fallen jedoch heraus. Für sie hat der Humanitätsvorrat des Senats nicht mehr ausgereicht, ihnen droht eine ungewisse und zum Teil lebensgefährliche Zukunft in Krisengebieten. Ein Großteil von ihnen sind alleinstehende, kinderlose Libanesen. Warum kommen nicht auch sie in den Genuß einer Aufenthaltserlaubnis?
Die offizielle Begründung lautet, die Altfallregelung sei eine „kinderfreundliche“ Weisung und nehme deshalb keinen Bezug auf kinderlose Asylbewerber. Diese Begründung ist absurd. Ist das Leben im Libanon etwa nur für Kinder unzumutbar? Kewenigs „Kinderfreundlichlichkeit“ erweist sich darüber hinaus als ausgesprochen relativ, was sich bei den abzuschiebenden „Straftätern“ zeigt, unter denen eine Reihe Minderjährige sind. Da erfindet er plötzlich die im deutschen Recht unbekannte Straffähigkeit eines Kindes und hantiert sogar mit der sonst verpönten Kollektivschuld, indem er die Eltern und die Geschwister gleich mitabschiebt.
Kewenigs Logik ist nicht an den Maßstäben der Kinderfreundlichkeit nachzuvollziehen. Ihm geht es ums Prinzip. Offenbar darf es keine Asylregelung geben, in der das Prinzip Abschiebung aufgegeben wird. Und „hart durchgegreifen“ muß der Senator wohl ab und an, will er sein Gesicht vor deutschtümelnden Hardlinern in der Asylpolitik wahren - und wenn es „nur“ 269 Flüchtlinge sind, an denen er seine Durchsetzungsfähigkeit beweist.
Elisa Klapheck
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