: Prinz Charles zum Vierzigsten: "Big Ears", sei ein Frosch!
■ Polemische Geburtstagswünsche zu Ehren Seiner Majestät Thronfolger / "Spring in den Teich des bürgerlichen Lebens"
Polemische Geburtstagswünsche zu Ehren Seiner Majestät
Thronfolger / „Spring in den Teich des bürgerlichen Lebens“ Aus London Rolf Paasch
Dear Charles,
Im Märchen ist es der Frosch, der sich nach langen Jahren des Schmachtens im unfreundlichen Naß, geküßt, in einen glücklichen Prinzen verwandelt. Was Du dagegen brauchst, Charles - vielleicht gerade zu Deinem 40. Geburtstag - ist eine intelligente Fee, die dich unglücklichen Prinzen mit einem gezielten Arschtritt in einen ganz ordinären, bürgerlichen Frosch zurückverwandelt. Aus eigener Kraft scheinst Du Deine dringend notwendige Transformation ja nicht auf die Reihe zu kriegen. So jedenfalls, mit Deinem leidigen Gejammer über Dein Einflußlosigkeit, geht das nicht mehr weiter.
Hör auf, immer noch zu versuchen, die Rolle des „ewigen Thronfolgers“ sinnvoll spielen zu wollen. Du kannst nicht morgens Polo spielen und Nachmittags den armen Negerkindern in den britischen Innenstädten Lektionen über ihr Fortkommen in einem Leben erteilen, das du nur vom Hörensagen kennst. Auch Deine nächtlichen Auftritte als superreicher Megastar in den Obdachlosen-Asylen der britischen Hauptstadt sind mehr als peinlich. Auf diese Weise wirst Du Deine Schuldkomplexe bestimmt nicht los. Da helfen auch Deine Selbstfindungsexkursionen in die Kalahari-Wüste - mit Deinem senilen Guru und Jungianer, Laurence van der Post, nichts. Dein Leben wird verpfuscht bleiben, bis Du Deine Märchenwelt verläßt, ins beschriebene Froschstadium zurückmutierst, kurzum: einer von uns wirst.
Merkst Du eigentlich nicht, daß Dich Dein prinzliches Dasein völlig fertigmacht. Wenn jemand anderes von einem Biographen nach dem anderen als „traurigster Mensch, dem ich je begegnet bin“, beschrieben würde, hätte sich derjenige schon längst in der Wüste vergraben oder seine Fesseln gesprengt. Du dagegen hoffst immer noch auf eine königliche Erlösung. Dabei weißt Du doch, wie zäh die weibliche Linie der Windsors ist. Queenie ist mit 62 noch lebendiger als ihre „Spitting Image„-Puppe und Queen Mother verstößt mit ihren Alter bereits seit Jahren gegen die ökonomischen Gesetze jeder Rentenversicherung. Das traurige Schauspiel, Dich im Jahre 2014 als vergreisten Prinz Löwenherz auf den britischen Thron tapern zu sehen, kannst Du uns wirklich ersparen. Statt Deinen ödipalen Alptraum womöglich nie erfüllter Königswürde weiterzuträumen, wäre es für Dich besser, Deine royale Karriere auf der Stelle abzubrechen. Dann könntest Du Dich auch endlich von diesem „wandelnden Kleiderbügel“ scheiden lassen, einer Frau, die sebst stolz bekennt, daß sie „dumm wie ein Ziegelstein“ ist und ein „Erbsenhirn“ hat. Warum hast Du auch damals, vor sieben Jahren nicht protestiert, als Mama Dich mit ihr verheiratet hat.
Aber darauf hatte Dich ja niemand vorbereitet, Du Ärmster. Nie hast Du Freunde gehabt, weder auf der spartanischen, „boys only„- Charakterschmiede im schottischen Gordonstoun, wohin Dich Dein deutsch-stämmiger Alter, den Du nie gemocht hast, entgegen allen englischen Traditionen hingeschickt hat; noch in der Armee. Bis heute bist Du nur von Courtiers, Kriechern und Speichelleckern umgeben, die selbst bei Deinen dümmsten Witzen noch wild auflachen.
Deine Schizophrenie ist doch schon so weit fortgeschritten, daß Du nicht einmal mehr weißt, in welchem Jahrhundert Du lebst. Du kannst nicht gleichzeitig die Rolle eines Whigs aus dem 18. Jahrhundert, eines industriellen Philantropen aus dem 19. Jahrhundert und eines „grassroots„-Aktivisten aus dem 20. Jahhunderts spielen. Deine nostalgische Architekturkritik ist völlig daneben. Nur weil Du, in Unzufriedenheit über Deine gegenwärtige Rolle, in die Vergangenheit zurückdrängst, können die Architekten doch nicht ausschließlich neo- georgianischen Kitsch bauen. Du magst zwar der erste männliche Windsor sein, „der Wittgenstein nicht mehr für einen Schweizer Wintersportort hält“, deswegen befähigt Dich die in diesen Kreisen so ungewöhnliche Intelligenz noch lange nicht, die Welt für uns alle verbindlichst zu interpretieren. Deine Gesellschaftskritik ist nicht nur in deinem so lethargischen Volke populär, sie ist sogar den Herrschenden als Ablenkung willkommen, bleibt sie doch letztendlich so flach wie Lady Di's Hutkrempe.
Wenn Du es wirklich Ernst meintest, Charles, dann müßtest Du Dich als allererstes selbst ab schaffen. Denn wer anderes als Du selbst, wird es demnächst sein, der die „verfassungs„lose Ruine des Vereinigten Königreiches längst zum abschreckenden Beispiel für alle aufstrebenden Demokratien dieser Welt verkommen - blindlings verteidigt. Seit Jahrhunderten ist dieses Land nicht auf einen republikanischen Zweig gekommen, weil ihr „Royals“ im Wege steht.
Was Großbritannien braucht, ist einen demokratischen Revolutionär an der Spitze, keinen noch so liberal verpackten Königsohn, der sich - wenns drauf ankommt - doch wieder als verkappter Reaktionär entpuppt. Tja, „Big Ears“, an Deinem 40. stehst Du am Scheideweg: Entweder läßt Du Dich weiter als lebendes Fossil feiern oder Du dankst ab. Sei ein Frosch! Tu Dir selbst und uns einen Gefallen: Spring in den Teich des bürgerlichen Lebens!
Mit republikanischen Geburtstagsgrüßen
Yours faithfully
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