piwik no script img

PrimarschuleSchulstreit tagt weiter

Erstes Treffen von Regierung und Reformgegnern endet ohne konkretes Ergebnis. Schulleiter der Gymnasien warnen vor dem Elternwahlrecht.

Des Rathauses verwiesen: Unterstützer der Schulreform im adäquaten Outfit. Bild: Joachim Geffers

Die schwarz-grüne Regierung bietet der Volksinitiative "Wir wollen lernen" ein Elternwahlrecht ab Klasse sechs und die stufenweise Einführung der Primarschule an. Das gaben die beiden Fraktionschefs Frank Schira (CDU) und Jens Kerstan (GAL) am Freitag im Anschluss an das erste Treffen mit den Reformgegnern bekannt.

Die Gespräche hätten in einer "konstruktiven und sachlichen Atmosphäre" stattgefunden. Details dieser Lösungen sollen beim nächsten Verhandlungstreffen am kommenden Freitag geklärt werden. Die Initiative habe darüber hinaus eine inhaltliche Qualitätskontrolle gefordert, über die noch zu sprechen sei. Auch Initiativensprecher Walter Scheuerl wandte sich gegen die Primarschule "als Zwangsmodell" und erklärte, er sei "verhalten optimistisch". Man habe sich aber vieles von Regierungsseite "konkreter gewünscht".

Die Sitzung begann um 16 Uhr und dauerte fast doppelt so lang wie geplant. Schon für 17.30 Uhr wurden die Journalisten mit Aussicht auf Statements ins Foyer bestellt. Doch blieben die Türen des Verhandlungsraum erstmal geschlossen. Die Lage ist gespannt. Wenn es keine Einigung gibt, kann die Volksinitiative ab dem 18. März den Volksentscheid beantragen, der dann im Juli durchgeführt wird.

Zu Beginn gab es am Freitag eine kurze Aktion von etwa 20 Reformbefürwortern, die unter ihren Mänteln Plakate mit der Aufschrift "Länger gemeinsam lernen find ich gut" trugen und diese im Rathaus entblößten, dann aber des Hauses verwiesen wurden.

Beide Seiten waren mit je acht Vertretern erschienen. Auf Regierungsseite waren neben Bürgermeister Ole von Beust und Schulsenatorin Christa Goetsch, die beiden Fraktionschefs Kerstan und Schira, die stellvertretende GAL-Fraktionschefin Antje Möller und die drei Schulpolitiker Michael Gwosdz (GAL), Marino Freistedt und Wolfgang Beuß (beide CDU) erschienen. Für die Initiative kamen neben ihrem Sprecher Walter Scheuerl noch Kampagnenleiter Frank Solms Nebelung und sechs weitere Elternvertreter.

Mit in der Runde war auch Moderator Michael Otto, der den Kontrahenten bereits vor einer Woche seine Ideen vorgestellt hatte. Goetsch und von Beust hatten daraufhin erklärt, sie hielten eine Einigung für möglich. Und auch Walter Scheuerl zeigte sich damals nicht ganz abgeneigt. "Es geht um den Ansatz Qualitätsverbesserung", erklärt er der taz.

Die Initiative machte auch deutlich, dass sie sich nicht mit dem Elternwahlrecht allein zufrieden geben werde und parallel den Volksentscheid vorbereite. Für eine Verhandlungslösung müsse sich der Senat "weit genug bewegen", so Scheuerl.

Im Vorfeld hatte der Landesschulbeirat an Regierung und Reformgegner appelliert, sich schnell zu einigen, um einen Volksentscheid zu vermeiden.

Unterdessen haben 38 der Hamburger Gymnasial-Schulleiter einen Appell unterschrieben, in dem sie vor dem Elternwahlrecht warnen. "Wenn man das Elternwahlrecht nach Klasse sechs einführt, gibt es einen Run aufs Gymnasium", erläutert Dagmar Bendt vom Heinrich Heine Gymnasium. Dann fehlten den Stadtteilschulen Schüler für Kurse, die zum Abitur führen. "So kann die Reform als Ganzes nicht funktionieren". Ob ein Kind aufs Gymnasium komme, müsse bis zum Ende der 6. Klasse geklärt werden.

Der Schulleiter-Appell wendet sich auch strikt dagegen, zu erlauben, dass einzelne Gymnasien schon ab Klasse fünf beginnen, weil dies zu einem Zwei-Klassen-System führe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • K
    kern

    Wir tragen eine sehr große Verantwortung.

    Es geht hier um unsere Kinder, die nur eine Jugend haben.

     

    Es geht auf der anderen Seite um einen parteipolitischen Konsens, um eine verlorene Stellung in der Umwelpolitik der Grünen, um Moorburg und die Elbvertiefung. Ein Thema, das mit Schulpolitik wenig zu tun hat.

     

    Während der Wahl waren das die vorrangigen Themen, die wahrscheinlich zu 70.000 grünen Wählern geführt haben- das schulpolitische Programm ist nicht demokratisch mit den Betroffenen besprochen worden, wie das Zweisäulenmodell durch eine einberufene Enquetekomission der Regierung zuvor.

     

    Auf der anderen Seite wurde der Erhalt der Gymnasien versprochen, denen nach G8 nicht nur der Kopf, sondern nun mit der Primarschule auch noch die Beine amputiert werden.

     

    Damit sind nicht nur die grünen, sondern auch die schwarzen Wähler hinters Licht geführt worden.

     

    Ein ohne demokratische Vorarbeit durchgepeitschtes Schulgesetz führte zu 184.500 Unterschriften. Zwei Monate lang hat sich die Hamburger Regierung nicht oder arrogant verhalten, engagierte Eltern als "schlecht informiert" bezeichnet.

     

    Leidtragende sind die Schüler, Lehrer und Eltern.

    Das Leid besteht in all den nicht beantworteten INHALTLICHEN Fragen zur Schulreform einer Schulbehörde, die Struktur vor Inhalte stellt.

     

    Armes Hamburg. Unsere armen Kinder. Ich habe nichts mehr gegen einen Volkentscheid, ich unterstütze ihn.