: Preußische Tugenden im Potsdamer Kreml
■ Brandburgischer Landtag wählt Präsidenten/ Der mahnt sogenannte preußische Werte an
Potsdam (ap) — Der brandenburgische Landtag hat sich am Freitag in Potsdam mit der Wahl des SPD-Politikers Herbert Knoblich zu seinem Präsidenten konstituiert. Der 51jährige, der nach Angaben aus Parteikreisen Anspruch auf das Amt des Kultusministers in einer Ampelkoalition erhoben hatte, erhielt auch Stimmen von den Oppositionsparteien CDU und PDS. Die Wahl des designierten Ministerpräsidenten Manfred Stolpe ist für den 1. November vorgesehen. Er strebt eine Koalitionsregierung aus SPD, FDP und Bündnis 90 an.
Vor der Sitzung wurde ein Schreiben von Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling bekannt, wonach die Post keine Einwände mehr dagegen erheben wird, wenn der Landtag in den „Potsdamer Kreml“ einzieht. Die dort untergebrachte Telekom müsse allerdings erst ein anderes Gebäude finden. Die Bundespost hatte das repräsentative Gebäude auf dem Brauberg von der PDS gemietet. Dazu besteht mit der SED-Nachfolgepartei ein Vertrag bis zum Jahr 2010. In dem Gebäude war zuvor die SED-Zentrale des früheren Bezirks Potsdam untergebracht, der zusammen mit den ehemaligen Bezirken Frankfurt/Oder und Cottbus das neue Bundesland bildet.
Bei der Wahl zum Landtagspräsidenten erhielt der Physiker und Pädagoge Knoblich 71 von 85 gültigen Stimmen. Acht Abgeordnten stimmten gegen ihn, sechs enthielten sich. Die geplante Ampelkoalition verfügt über 48 der 88 Parlamentssitze, die CDU hat 27 und die PDS 13 Mandate. Knoblich war erst relativ spät der SPD beigetreten und arbeitete vor seiner Wahl als Ressortleiter für Kultur in der Potsdamer Bezirksverwalung. Als Kultusministers kam unterdessen in Parteikreisen der SPD-Landesvorsitzende Steffen Reiche ins Gespräch.
Die Sitzung des Landtages begann mit einer Gedenkminute für die Menschen, die in den vergangenen 60 Jahren ihr Leben im Kampf gegen Unrecht und Gewaltherrschaft verloren haben. Alterspräsident Just appellierte an die Abgeordneten, den mündigen Bürger als obersten Souverän zu achten. Das 69jährige SPD- Mitglied Just war ein Gefährte und Mitgefangener des in den 50er Jahren einer stalinistischen Säuberung zum Opfer gefallenen Verlegers Walter Janka. Just war 1956 aus der SED ausgeschlossen und wegen seines Einsatzes für ein wiedervereinigtes Deutschland zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden.
Knoblich mahnte in seiner Antrittsrede die Abgeordneten an preußische Tugenden. Nun zählten „Pflicht, Fleiß, Sparsamkeit“. Gleichzeitig empfahl er den Abgeordndeten „Pünktlichkeit und Disziplin“ für ihre Arbeit. Der Landtagssitzung vorausgeangen war ein ökumenischer Gottesdienst in der Potsdamer Nikolaikirche.
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