Pressestimmen zum griechischen Nein: Ein schrecklicher Schraubstock
Die einen fordern Bescheidenheit in der EU, die anderen empfehlen den Grexit: Eine Übersicht zu internationalen Pressestimmen.
Der linksliberale britische Guardian findet, die Staatschefs müssten nun umdenken: „Europäische Regierungschefs, die sich daran gewöhnt haben, sich durchzusetzen, werden in Zukunft nicht mehr davon ausgehen können. Sie müssen sich in Bescheidenheit üben und ein Ohr für das griechische Volk haben, das zu diesem Sprung ins Ungewisse angetrieben wurde.“
In Frankreich erklärte die linksliberale Pariser Zeitung Libération: „Die Europäer können endlich anerkennen, dass die dem ganzen Kontinent aufgezwungene brutale Sparpolitik katastrophale politische Folgen gehabt hat, von denen das Nein der Griechen nur ein Beispiel ist.“ Die konservative Zeitung Le Figaro sagt voraus: „Von einem verpassten Zahlungstermin zum anderen wird sich ein schrecklicher finanzieller Schraubstock um Griechenland schließen.“
Die belgische Zeitung De Standaard sieht das griechische Nein als „dramatischen Schlag“ für die Eurozone und die Europäische Union. „Wenn ein Mitgliedstaat lieber untergeht, als sich einer Politik zu beugen, die er als aussichtslos erachtet, wird dem europäischen Projekt damit das moralische Fundament entzogen.“
Szenarien und Ohrfeigen
In Spanien findet die rechtsliberale Zeitung El Mundo: „Der Sieg von Tsipras ist eine Ohrfeige für Deutschland und für den harten Euro-Kern. Diese werden den Druck der öffentlichen Meinung, die gegen weitere Hilfen für die Griechen ist, kaum in Einklang bringen können mit den Forderungen der Regierung in Athen, die sich zum Beispiel weigert, das Rentenalter zu erhöhen, obwohl das derzeitige System aus finanzieller Sicht unhaltbar ist.“
Die linksliberale polnische Zeitung Gazeta Wyborcza kritisiert beide Seiten des Konflikts: „Wir erleben gerade seine beispiellose Krise, die entstanden ist als Ergebnis von Egoismus der Entscheider, Mangel an Mut und Vorstellungskraft und fehlerhafter Kalkulation. Seitens der Union und Griechenlands.“
Die russische Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta erklärt, die Regierung Tsirpas sei keineswegs sicher: „Das kleine, aber stolze südeuropäische Land hat in dem Referendum sowohl über seine nahe Zukunft als auch über das Schicksal der ganzen Eurozone entschieden. (...) Und doch: Falls die wirtschaftlichen Probleme des Landes nach dem Referendum bleiben, können die Sympathiewerte der Regierung Tsipras schnell fallen.“
Austritt als logische Folge
Als logische Konsequenz aus der Abstimmung sieht die Schweizer Neue Zürcher Zeitung den Austritt Griechenlands aus der Währungsunion: „Die Syriza-Truppe soll ohne den „reichen Onkel“ aus Brüssel ihre Wege suchen müssen, um Einnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen. Auch die Griechen dürften dabei früher oder später erkennen, dass nichts daran vorbeiführt, wirtschaftlich wettbewerbsfähiger zu werden.“
Auch die niederländische Zeitung De Telegraaf rät Griechenland zum Austritt aus der Eurozone. Dies sei „das beste Szenario“. „Das ist schmerzlich für Griechenlands Gläubiger. Der Prozess des Austretens muss dennoch so flexibel gestaltet werden, dass Griechenland Teil Europas bleibt und nicht anderen Mächten in die Arme getrieben wird. Ruhe an Europas Ostgrenze ist ein wichtiges Gut.“
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