piwik no script img

Pressefreiheit in der TürkeiDie Sprache der Regierung

Mit der Vereinnahmung von Zeitungen in der Türkei hat sich auch die Sprache verändert. Diese Begriffe werden besonders gern benutzt.

Regierungskonform: Türkische Zeitungen Foto: imago/Altan Gocher

Istanbul taz | Einige Zeitungen in der Türkei wurden gleich ganz verboten, andere von außen oder innen übernommen. Mit der Übernahme türkischer Redaktionen hat sich auch die Sprache in der Berichterstattung verändert – und sich häufig der Sprache der Regierung angenähert oder angepasst. Einige Motive tauchen immer wieder auf, zum Beispiel: „Agent“.

So werden oft pauschal all die bezeichnet, die sich in Opposition zum türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und der Regierungspartei AKP befinden oder kritisch darüber reden oder schreiben. Auch der Welt-Redakteur Deniz Yücel, der ein Jahr lang wegen angeblicher „Terrorpropaganda“ in Istanbul inhaftiert war, wurde als „deutscher Agent“ bezeichnet – vom Staatspräsidenten Erdoğan persönlich. Hintergrund war, dass Yücel ein Interview mit einem PKK-Führer geführt und kritisch über die Regierung Erdoğan berichtet hatte. Später fand sich diese Zuschreibung auch in redaktionellen Texten wieder. Abgewandelte Formen, die auf die Diffamierung Oppositioneller zielen, finden sich in Bezeichnungen wie „Verräter“, „Verräterbande“ oder auch „Strohmann der internationalen Mächte“.

Auch in der Wirtschaftsberichterstattung werden immer wieder Begriffe aus dem Bereich der Kriegsführung benutzt. So ist häufig die Rede von einem „Wirtschaftskrieg“ oder einem „Angriff auf die türkische Wirtschaft“. Die Wörter sollen vermitteln, dass nicht die Regierung für die äußerst angespannte wirtschaftliche Situation in der Türkei verantwortlich sei, sondern dass diese das Werk unheimlicher, international agierender Kräfte sei, die mit Tricks die Türkei in die Knie zwingen wollten.

Preissteigerungen und „Neid“ auf Flughafen

In diesem Zusammenhang ist auch häufig die Rede von „Preisaktualisierungen“. Das Wort stammt aus zahlreichen Verlautbarungen der türkischen Regierung und wurde inzwischen von vielen Medienhäusern übernommen, um über die teils massiven Preissteigerungen zu berichten. Ebenfalls gern genutzt: „Preisangleichung“ und „Preisregulierung“. Gemeint ist, eigentlich: Das Leben in der Türkei wird teurer.

Eine häufig genutzte Redewendung mit Deutschlandbezug ist übrigens der vermeintliche Neid Deutschlands auf die Türkei. Dabei handelt es sich um die weitverbreitete, von der Regierung und regierungsnahen Medien propagierte These, Deutschland beneide die Türkei um ihre Megaprojekte. Als Beispiel wird vor allem der dritte Flughafen genannt, der im Norden Istanbuls gebaut wird – während Berlin noch immer auf seinen unfertigen Hauptstadtflughafen BER wartet.

Übersetzung aus dem Türkischen: Ebru Taşdemir und Elisabeth Kimmerle

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Wer ist neidisch?



    Die Deutschen auf die Türkei?



    Ich glaube eher nicht. Vielleicht die Deutschen mit türkischen Wurzeln, oder die Türken die zu Tausenden an den Straßen Berlins stehen um ihrem Präsidenten zu huldigen.



    Der angebliche oder tatsächliche Neid kann dadurch befriedigt werden im dem die Jubelnden ihren Wohnort von Deutschland in das Land ihres geliebten Präsidenten, in die Türkei also, verlegen.



    Wer Erdogan vereehrt soll auch beim ihm wohnen!