Pressefreiheit in China: Journalistin zu langer Haft verurteilt
Ein unter Druck zustandegekommenes Geständnis ist die Grundlage des Urteils gegen Gao Yu. Die Journalistin muss sieben Jahre ins Gefängnis.
BERLIN taz | Sieben Jahre Haft: Seit November ist das Urteil wegen „Verrats von Staatsgeheimnissen“ gegen die Journalistin Gao Yu mehrfach verschoben worden. „Wir sind sehr enttäuscht“, sagte Gaos Anwalt Shang Baojun der dpa. Menschenrechtsgruppen zeigen sich entsetzt und die Europäische Union bedauert das Urteil in ersten Stellungnahme.
Fast genau ein Jahr ist es her, dass die damals 70-jährige Journalistin Gao Yu am 24. April plötzlich aus ihrer Pekinger Wohnung mit den vielen Büchern, Erinnerungsfotos und Blumen abgeholt wurde. Ihre Angehörigen und Anwälte erfuhren weder, warum die Polizei sie mitgenommen hatte, noch wohin. Gleichzeitig nahm man auch ihren Sohn fest.
Am 8. Mai dann meldete der staatliche CCTV-Fernsehsender, eine „Pekinger Frau“ sei wegen „Preisgabe von Staatsgeheimnissen“ verhaftet worden. Vor der Kamera legte Gao ein Geständnis ab, bekundete „tiefe Reue“. Dabei war ihr Gesicht undeutlich gemacht, ihr Name nicht genannt worden – und doch war Gao an ihrer Haltung und ihrer Stimme klar zu erkennen.
Um welches „Staatsgeheimnis“ es sich handeln soll, blieb zunächst im Dunkeln. Schließlich wurde klar, dass das KP-„Dokument Nr. 9“ gemeint sein musste, das 2013 zuerst in Hongkong veröffentlicht worden war. Chinas Universitäten und Schulen werden darin von höchster Stelle der Kommunistischen Partei angewiesen, sieben „gefährliche“ Begriffe aus dem Unterricht fernzuhalten, darunter „Universalität der Menschenrechte“, „Unabhängigkeit der Presse“, „Bürgerbeteiligung“ und „Kritik an der Geschichte der Partei“.
Sippenhaft als Drohung
Das TV-Geständnis war umso schockierender, als jeder, der Gao Yu kannte, wusste, dass es nur durch starken Druck erlangt worden sein konnte. Und so war es, wie sie ihrem Anwalt später sagen konnte, auch gewesen: Im Verhör hatte man ihr angedroht ihren Sohn in der Haft zu halten.
Gefängniserfahrungen hatte Gao Yu bis dahin schon reichlich. Nach dem Tode Maos, als die Hoffnung auf ein liberaleres China aufkeimte, war sie mit ihren ungewöhnlich offenen politischen Interviews in ihrer Heimat bekannt geworden.
Sie wurde die erste prominente politische Gefangene nach den niedergeschlagenen Tiananmen-Protesten von 1989. Seither saß Gao Yu wiederholt in Haft – insgesamt über sieben Jahre. In China hat sie seither Berufsverbot, ihre politischen Analysen und Kommentare konnte sie nur noch in Hongkong und im Ausland veröffentlichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung