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Press-SchlagNeuer Höhepunkt einer Achterbahnfahrt

Freuen sich fast zeitgleich über ihre Siege: Kerber in Stanford und Kohlschreiber in Kitzbühel Fotos: ap

TENNIS Ein deutscher Profi und eine deutsche Profi gewinnen ein Turnier. Aber nur für Angelique Kerber bedeutet das wirklich eine Rückkehr zum alten Potenzial

Auf ihrer wunderlichen Achterbahnfahrt durch das Tennisjahr 2015 war Angelique Kerber am späten Sonntagabend mal wieder ziemlich weit oben angekommen. Im kalifornischen Stanford gewann sie den vierten Titel dieser Saison in einem aufreibenden Final-Marathon gegen die hochgehandelte Tschechin Karolina Pliskova (6:3, 5:7, 6:4). Kerber hat alles erlebt in der laufenden Spielzeit, Glanz und Elend, Triumphe und Bitternis, große Siege und großes Scheitern. Das erstaunliche deutsche Tennis-Wochenende hatte mit Philipp Kohlschreiber und dessen souveränem Finalsieg in Kitzbühel begonnen.

Kerber ist eine der konstantesten und erfolgreichsten Spielerinnen der Saison, das weisen alle Statistiken der Tourgewerkschaft WTA aus. Neben der 27-jährigen Kielerin hat nur die übermächtige Serena Williams vier Titel gewonnen, zudem gehört Kerber mit einer Arbeitsbilanz von 37:13-Siegen zu den Topkräften des Jahres. In Stanford machte sie sogar das Kunststück perfekt, auf vier verschiedenen Belägen in einer Saison zu gewinnen: Nach dem Charleston-Sieg auf Granulat, dem Heimspiel-Triumph im Stuttgarter Sand und dem Erfolg auf dem Grün von Birmingham (Rasen) ließ Kerber nun alle Gegnerinnen auf einem typischen US-Hartplatz hinter sich.

Doch in drei Wochen beginnen die US Open in New York. Womit man schon bei dem Problem wäre, dem Schönheitsfleck, der Kerbers Tenniszeugnis in der laufenden Saison deutlich trübte: Denn ausgerechnet bei den Grand-Slam-Turnieren, den wichtigsten Leistungsmessen dieses Sports, schaffte es die deutsche Frontfrau nicht, den Ansprüchen gerecht zu werden. Und so schaut man auf eine paradoxe Situation bei der Nummer 6 der Jahres-Rangliste: Kerber hat zwar 2015 mehr Turniere gewonnen als in allen anderen Jahren ihrer Karriere zuvor, aber zugleich schaffte sie bei keinem Grand Slam-Turnier den Einzug in die zweite, alles entscheidende Woche. In Paris und Wimbledon verlor die 27-Jährige jeweils gegen die Spanierin Garbine Muguruza, im All England Club war sie als eine der Geheimfavoritinnen auf den Titel angetreten. Bundestrainerin Barbara Rittner sprach anschließend davon, Kerber habe die „Handbremse“ nicht lösen können: „Statt Selbstvertrauen spürte man Druck, Verkrampfung. Ich wünschte mir, Angie und auch die anderen Spielerinnen könnten die Grand Slams mehr genießen.“

Kerber bleibt aber – im Gegensatz zu Kohlschreiber – die Spielerin, die am ehesten und am wahrscheinlichsten auch bei einem Grand-Slam-Turnier einmal den Weg ins Finale finden kann – bei ihren vier Turniererfolgen 2015 hat sie fast alle Weltklassegegnerinnen geschlagen, die sich hinter der einsamen Serena Williams um Siege und Aufmerksamkeit bemühen. „Ich muss bei den Grand Slams noch mehr Lockerheit und Gelassenheit finden – in der hohen Anspannung, die man ganz natürlich hat“, sagt Kerber. Ganz nebenbei geht es in New York auch noch um einen Qualifikationsplatz für die WM im Herbst in Singapur. Momentan rangiert Kerber auf Platz 6 im Bewerberinnen-Rennen der besten acht, braucht also noch ein paar Punkte für den Saisonabschluss.

Jörg Allmeroth

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