■ Press-Schlag: Wer ist der Schönste im Land?
Endlich, endlich ist das Rätsel gelöst. Lange Zeit fragten sich die Beobachter des Geschehens in der Fußball-Bundesliga verzweifelt, nach welchen Kriterien Bayern München eigentlich Spieler einkauft. Nun ist es raus: nach Schönheit. Das geheime Ziel des Münchner Klubs ist es gar nicht, Deutscher Meister zu werden oder gar etwas so Profanes wie Europacup-Sieger, nein, nein, Franz Beckenbauer und seine Angestellten möchten vor allem ihre Vormachtstellung als schönste aller Fußballmannschaften zementieren. Und die ist gefährdet.
Zwar konnten die Münchner bei einer Umfrage des Pay-TV-Senders Premiere unter 7.513 von erlesenem Geschmack beseelten Fußballfans 38,5 Prozent der Stimmen einsacken und belegten mit Alain Sutter, Lothar Matthäus und Mehmet Scholl auch die ersten drei Plätze in der Kategorie „Schönster Bundesligaspieler“, doch der Vorsprung vor Borussia Dortmund (17,9 Prozent) mit seinen Ober- Beaus Lars Ricken (Platz 5) und Karlheinz Riedle (7) ist alles andere als beruhigend. Die Westfalen bräuchten bloß Hany Ramzy (Platz 4), Stefan Kuntz (8), Rodolfo Cardoso (10) und vielleicht noch Axel Kruse verpflichten, schon kämen die Bayern gehörig ins Schwimmen.
Ein cleverer Manager wie Uli Hoeneß hat das natürlich längst bemerkt, was nicht nur erklärt, warum Jan Wouters zurück nach Holland mußte, sondern auch die Verpflichtung von Ciriaco Sforza (Platz 6) und das neuerliche Vertragsangebot an Michael Sternkopf (9). Fehlte nur noch der große Coup, und wie der auszusehen hatte, lag nach der Premiere-Umfrage auf der Hand. Haushoch gewonnen hätte die Wahl nämlich Jürgen Klinsmann, aber der lief außer Konkurrenz, weil er ja bei Tottenham Hotspur spielte.
Einer „neuen Herausforderung“ steht Klinsmann bekanntlich immer äußerst aufgeschlossen gegenüber, während finanzielle Gründe, wie man weiß, niemals eine Rolle spielen, obwohl er märchenhafterweise in seiner Mannschaft respektive Liga immer derjenige ist, der am meisten verdient. Ein paar Verhandlungen, schon war die Sache klar. Anstatt am Tag seiner Ehrung zu Englands Fußballer des Jahres dankbar zu erklären, daß er selbstverständlich in Tottenham bleiben werde, lud Klinsmann zur Pressekonferenz ins Londoner Comedy Cafe und verkündete, fortan werde er für die Bayern stürmen.
Mit dem Toreschießen ist es nun zwar Essig (wann schießt ein Bayern-Angreifer schon ein Tor?), mit der Meisterschaft wird es auch nichts werden, aber dafür kann Klinsmann endlich am eigenen Leibe erfahren, daß nicht jede alte Weisheit Bestand hat: Im Fußball gibt es eben doch Schönheitspreise zu gewinnen. Jenes Wochenende auf einer Beauty-Farm etwa, das diesmal noch Alain Sutter einheimste. Matti Lieske
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