piwik no script img

Press-Schlag„Es gibt Bekloppte“

■ Obskure Manager-Bemühungen am Rande der Schwimm-Meisterschaften

Plötzlich herrscht Goldgräberstimmung am Beckenrand. Im Sog des florierenden Unternehmens Franziska van Almsick ist eine ganze Horde selbsternannter Manager den Schwimmern auf der Spur. Gejagt wird vor allem Julia Jung. Der Jungstar aus Dillenburg in Hessen ist gerade 15 Jahre alt und zwölfmalige Junioren-Europameisterin. Bei den deutschen Meisterschaften in Warendorf hat sie mit einer Weltklasseleistung über 400 Meter Freistil van Almsick geschlagen und zu Tränen gerührt.

Bei Familie Jung herrscht seit Wochen Hochbetrieb. Das Telefon gibt keine Ruhe, fünf Manager saßen schon auf der Couch. Versprochen wurde alles, verlangt haben sie viel – und gehalten nichts. So hat sich einer der Werber mit der Begründung entschuldigen lassen, seine Tochter sei plötzlich verstorben. Diese Ausrede gilt derzeit als favorisiert. Schon dreimal ist diesem Pseudo-Manager die Tochter verstorben, hat Werner Köster, Van-Almsick-Manager, in Erfahrung gebracht. Ein anderer Glücksritter überraschte Frau Jung („Es gibt da echt Bekloppte.“) mit einem Blanko- Vertrag, in dem er nicht weniger festschrieb als sein monatliches Fixum in fünfstelliger Höhe, Flüge erster Klasse, Übernachtung in den besten Hotels und dreißig Prozent Provision.

Einer der jungen Werbe-Experten kommt aus dem Osten. Mathias Pilz, 25 Jahre, gelernter Elektriker, schlug sich als Discjockey durch die Wende – bis er sein Talent für die Sportvermarktung entdeckte. Bei seiner wichtig klingenden Kommanditgesellschaft „Sportmanagement DMI Germany“ hat bislang erst ein Fisch angebissen. Eine Juniorin aus Potsdam, die bei den deutschen Meisterschaften nicht startberechtigt war. Des Aufsteigers Traum ist eine golddekorierte deutsche Freistilstaffel bei den Olympischen Spielen in Atlanta. Ein Sponsor soll dafür eine Viertelmillion bieten. Die Namen der Schwimmerinnen hat der Manager schon parat: Die Potsdamerin Dörte Hinzmann, das Frankfurter Talent Meike Freitag – sowie natürlich Julia Jung und Franziska van Almsick. Drei von ihnen will Pilz bis zum nächsten Jahr unter Vertrag haben, dann müsse endlich auch „der Herr Köster“ mit ihm verhandeln.

Aber der Neid auf van Almsick sitzt tief und treibt den Jung-Managern vermehrt Athleten zu. Der Essener Christian Keller sollte schon gegen seinen Berater Sven-Uwe Hermann, den ehemaligen Chauffeur Willi Daumes, vor Gericht. Streitwert: angebliche Beraterhonorare von 28.000 Mark. Jedoch fand sich kein gültiger Beratervertrag. Keller, Serienmeister der letzten Jahre, hat unter der Affäre offensichtlich gelitten. Bis Sonntag blieb er in Warendorf ohne Einzelsieg.

Ähnlich erging es zwei prominenten Frauen. Sandra Völker aus Hamburg, die schon drei Manager verschliß, pflegt zwar beste Kontakte zu Hochglanzmagazinen und stellte im letzten Winter einen unbedeutenden Weltrekord auf der 25-Meter- Bahn auf – doch in Warendorf landete sie wieder nur in der dritten Reihe. Die Einzelstarterin Sandra Völker wird es wohl bei der EM nicht geben.

Auch Dagmar Hase hat jetzt einen Manager. Der heißt Eugen Kurz, stellt sich als Geschäftsführer der Agentur „ComMa“ vor, und mag den Begriff Manager eigentlich nicht. „Sagen wir lieber Berater. Ich bin dazu da, gewisse Bereiche zu professionalisieren.“ Ob Dagmar Hase das alles nutzt? „Krisen-PR“ sei bei der Olympiasiegerin gefordert. Und das will Kurz „gelernt haben in einer amerikanischen Agentur“. Kurz feilte am Outfit, veranlaßte Sprechunterricht, besorgte der Schwimmerin eine Nebenrolle im Vorabendstreifen „Sportarzt Conny Knüpper“ und hat das alles in einem dreiseitigen Pressedossier säuberlich dokumentiert. Unter dem Datum „März 1995“ findet man die Eintragung: Sponsorenvertrag für das Produkt Milchschnitte. Am „7. April“ wurde Dagmar Hase an den Mandeln operiert.

Dagmar Hases bescheidene Vorstellungen in Warendorf (bis zum Sonntag war sie nicht für die EM qualifiziert) mag man mit der Trainingspause nach der Mandeloperation begründen. Doch selbst Trainer Bernd Henneberg fällt das schwer. „Da haben welche ganz große Rosinen im Kopf“, sagt Henneberg. „Die träumen“, sagt Manager Werner Köster. „Die meisten Leute, die diesen Job angehen“, glaubt Mathias Pilz, „haben einfach kein Konzept.“ Genau deshalb kassiert Franzi-Darling allein die Millionen. Ein bißchen Licht fällt künftig vielleicht noch auf Julia Jung, alle anderen schwimmen, ob mit oder ohne Manager, ein Dutzend Längen hinterher. Jens Weinreich, Warendorf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen