Press-Schlag Das Treten, Hauen und Stechen in Fifa und Uefa geht weiter. Dabei liegt in der Krise eine Chance: Demokratie und andere Unmöglichkeiten
Szenen wie in einem Mafiastreifen spielen sich derzeit in der Fifa ab. Es ist die Rede von Rittern („Ich stehe vor einer Festung und werde mit heißem Öl übergossen“, Michel Platini) und vom Allmächtigen („Wenn Gott an meiner Seite ist, werde ich als Präsident zurück sein“, Sepp Blatter). Ein sehr unterhaltsames Spektakel. Dabei ist es eigentlich erstaunlich, dass wir die wilde Schießerei zwischen den Exkumpanen noch erleben dürfen.
Denn, seien wir ehrlich, die Öffentlichkeit hatte sich längst mit dem Status quo abgefunden. So sind sie halt, die Funktionäre. Zwar wettert man über wenige Dinge so gern wie über die Fifa, und mit Schimpfen auf die korrupten Herren erntet man verlässlich Zustimmung. Aber hat es je jemand gewagt, gegen die allmächtige Fifa aufzumucken? Das wollte dann doch keiner so recht – auch wenn man so etwas dem DFB, dem englischen oder dem niederländischen Verband gern nachgesagt hat. Dass es letztlich die US-Justiz war, die den Stein ins Rollen brachte, ist ein Armutszeugnis für den Kontinent, der von sich selbst glaubt, bei ihm seien die demokratischen Werte zu Hause. Europa hat gepennt.
Nun ist es also passiert. Die Fifa ist angezählt. Nicht einzelne Personen, sondern die ganze feine Gesellschaft. Und plötzlich scheint alles möglich. Schlag auf Schlag folgen Enthüllungen, zuletzt der brisante Kommentar von Sepp Blatter über eine angebliche Absprache, die WM 2022 hätte an die USA gehen sollen, an die sich die Europäer nicht gehalten hätten.
Blatter wirft der Uefa noch ganz andere Dinge vor. Er, der gnädige Beschützer der unterdrückten Kontinente, der seine Macht auf die Unterstützung der afrikanischen und asiatischen Verbände gründet, tat kund, jene Verbände hätten ihn „angefleht“, einen europäischen Fifa-Präsidenten zu verhindern. Ein Michael Platini habe beim Weltfußball „nur die Champions League“ im Sinne.
Und damit liegt Blatter ausnahmsweise nicht so ganz falsch. Denn von den Früchten der großen Kommerzialisierung in den neunziger Jahren hat man außerhalb der Fußballinsel Europa nicht viel abbekommen. Die europäischen Verbände, angeführt von der Uefa und dem selbst ernannten Ritter Platini, haben über Jahrzehnte die Interessen der anderen Kontinente verlässlich ignoriert.
Das aber war nicht nur unfair und arrogant, sondern auch dumm. Denn außerhalb Europas ist man nicht mehr willens, sich mit den Krümeln abzugeben. Europa hat eine Entwicklung verpennt – schon wieder. Jetzt steht Europa im Weltfußball einigermaßen isoliert da. Und auf wen setzen, wenn Platini, wie aktuell wahrscheinlich, nicht zur Wahl antreten darf? Als Wahlfavorit gilt zurzeit der umstrittene Scheich Salman al-Chalifa aus Bahrain. Seine Wahl könnte einiges verschieben im Weltfußball. Die Fifa wird die Schießerei überleben. Ähnlich wie die Mafia, die sich nach einem großen Showdown erneuert, werden wir auch die Fifa nicht los.
Aber welche Organisation des Weltfußballs wird das sein? Ist eine bessere Fifa möglich? An einen wirklich demokratischen Weltfußballverband glaubt gegenwärtig niemand. Dabei gibt es gerade in der Krise die Chance, Dinge zu ändern. Auch in Europa. Alina Schwermer
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