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Preisverleihung an Peter SingerHöchst umstrittene Person

Bei der Verleihung des „Peter-Singer-Preises für Strategien zur Tierleidminderung“ an seinen Namensgeber hagelte es Protest.

Ein Preis für Peter Singer? Keine gute Idee, finden Behindertenverbände. Foto: dpa

Während am Dienstag vor der Urania etwa 150 Menschen protestierten – darunter viele im Rollstuhl –, nahmen an der Verleihung des Peter-Singer-Preises an Peter Singer kaum Menschen mit augenfälligen Einschränkungen teil. „Wir wollten das Event nicht legitimieren, indem wir als kritisches Beiwerk ein paar Worte sprechen“, sagte Matthias Vernaldi, Anmelder der Gegendemonstration. Das Aktionsbündnis forderte stattdessen Redeverbot für Singer, auf Schildern hieß es „Über meinen Lebenswert bestimme nur ich“.

Princeton-Professor Singer ist eine seit Jahrzehnten umstrittene Figur. In seinen Büchern fordert er die Auflösung der Hierarchie zwischen Mensch und Tier und wurde so zu einem der wichtigsten Stichwortgeber der Tierrechtsbewegung.

Grundlage seiner Ethik ist jedoch die Unterscheidung zwischen personalen und nicht-personalen Wesen – und zu diesen zählt er unter anderem Säuglinge mit Behinderungen. Zuletzt am vergangenen Sonntag vertrat Singer in der Neuen Zürcher Zeitung die Ansicht, es müsse möglich sein, diese zu töten. Für seine Verdienste zur Tierleidminderung erhielt Singer am Dienstagabend nun den mit 10.000 Euro dotierten Peter-Singer-Preis.

Kritik von Behinderten

Die massive Kritik von Behindertenverbänden und Parlamentarier_innen veranlasste Ulrich Bleyer, Direktor der Urania, die Proteste als versuchte Einschränkung der Meinungsfreiheit zu bezeichnen. Vernaldi sieht das angesichts des eugenischen Gehalts von Singers Perspektiven anders: „Wenn jemand propagiert, eine bestimmte Gruppe von Menschen zu töten, dann gehört das nicht in einen gesellschaftlichen Dialog.“

Dass es bei der Preisverleihung nicht um Dialog ging, zeigte deren Ablauf. Zu Beginn gab es in Reaktion auf die Proteste Gelegenheit für kritische Stellungnahmen. Nachdem Johannes Igel, Initiator des Denkmals für Contergan-Geschädigte, seine Sorge geäußert hatte, die Thesen Singers könnten in die Tat umgesetzt werden, war von Kontroverse kaum mehr etwas zu spüren.

Der Initiator des Preises, Walter Neussel, zeigte sich erleichtert, dass man sich nun endlich dem eigentlichen Thema des Events zuwenden könne: Es ging um Schlachtungszahlen, Bevölkerungszunahme, Klimawandel. In seiner Dankesrede prophezeite Singer eine vegane Welt in spätestens 50 Jahren und kündigte an, das Preisgeld an Tierrechtsorganisationen zu spenden.

Die ursprüngliche Redeliste wies Lücken auf. Wolf-Michael Catenhusen, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, und Laudator Michael Schmidt-Salomon von der Giordano-Bruno-Stiftung hatten ihre Teilnahme kurzfristig abgesagt. Das Aktionsbündnis um Matthias Vernaldi wertet das als Erfolg ihres Protests.

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3 Kommentare

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  • Ob der Mensch ein Tier ist, ist eine rein definitorische Sache. Natürlich ist der Mensch ein Tier in dem Sinne das er Teil der Fauna ist. Er ist aber kein Tier in dem Sinne das er ein Mensch ist. Wenn andere Tiere sprechen könnten, dann er hätten Sie auch ein Begriff der die die Fauna exklusive Ihrer selbst definiert.

     

    Wer nun aus diesem Definitorischen Hickhack Menschen unter Nichtmenschen stellt icht ein verlotteter kranker, kaputter, kaputter, gefährlicher Mensch. Natürlich haben Menschen mehr Rechte als alle anderen Wesen der Fauna. Das tun wir weil wir Teil der Fauna sind. Alle anderen gewähren Iherer Spezies auch mehr Rechte.

     

    Das Tierrechtler am Ende zu Antimenschenrechtlern mutieren ist normal, und logisch.

  • Der Mensch ist auch nur ein Tier - dem wird unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, niemand widersprechen können.

     

    Die Sonderstellung des Menschen als "Krone der Schöpfung" ist nicht mehr haltbar – es ist auch nicht haltbar, hochsensible, intelligente Wesen wie Orang-Utans, Delfine oder Wale abzuschlachten.

     

    Singer zielt auf diese unsinnige Abspaltung des Menschen vom Rest der Welt.

    Diese ungesunde Trennung von Mensch und Tier hat den Boden für Raubbau an der Natur bereitet.

    Als Konsequenz aus der Erkenntnis, der Mensch ist auch nur ein Tier, muss man nicht nur den direkten Vergleich zwischen Mensch und Tier zulassen, mehr noch, man muß eine Gleichberechtigung einfordern.

     

    Zum Thema schwerster Behinderungen - das ist ein Reizthema wie die Sterbehilfe. Man sollte sich ernsthaft überlegen, ob man einem Säugling ohne Hirn, mit offenem Rücken, einen Gefallen tut, wenn man ihn mit Hilfe von Maschinen noch eine Zeitlang am Leben erhält... wer das bejaht, ist in meinen Augen ein Monster und verlogen dazu. In dieser Gesellschaft wird alles getan, damit ein Mensch am Leben bleibt – einerseits – aber so gut wie nichts, damit er ein wenig Freude an diesem Leben hat - und mal im Ernst, aus welchem Grund stehen wir jeden Morgen auf? Wegen diesem bisschen Freude, das ein Wesen ohne Hirn nun mal nicht empfunden kann.

    • @Karo:

      Ich glaube, das größte Problem ist immer noch, dass sehr viele Menschen die Thesen von Singer bezüglich Euthanasie nicht oder nur unzureichend kennen. Die These ist eben NICHT, dass man schwerbehinderte Menschen töten sollte, sondern dass es, in Fällen in denen ein schwerstbehinderter Säugling (1) chronische starke Schmerzen hat und (2) mittel-langfristig keine Chancen auf Überleben den ELTERN des Kindes die Entscheidung über eine schmerzfreie Tötung gegeben werden sollte. Das ist etwas sehr anderes, als was ihm unterstellt wird. Es geht keinesfalls darum Menschen den Lebenswert abzusprechen, sondern vielmehr Säuglingen ohne Aussicht auf Rettung viel Leid zu ersparen.