Preispolitik der Berliner Bäder-Betriebe: Sauteuer und arschkalt
Ein neues Preissystem sorgt für deutlich höhere Eintrittspreise fürs Schwimmen. Weil gespart werden muss, bleiben die meisten Sommerbäder ungeheizt.
Das bisherige Tarifsystem wird ab 5. Mai gänzlich neu aufgestellt – unterteilt nach Frei- und Hallenbädern. Statt einheitlicher Preise soll nun zwischen unterschiedlichen Kategorien von Bädern variiert werden, je nach Ausstattung. Prinzenbad und Sommerbad Neukölln kosten dann mehr als die Sommerbäder Mariendorf oder Olympiastadion, die Schwimm- und Sprunghalle an der Landsberger Allee mehr als die Halle auf der Fischerinsel.
Bei den Sommerbädern wird der Preis nach Buchungszeitraum variieren – eine Woche vorher sind die Tickets günstiger als am selben Tag –, bei den Hallenbädern nicht mehr nach der Tageszeit, sondern nach der Länge des Besuchs: Unterschieden wird hier nach 90, 150 Minuten oder einem Ganztagstarif.
Bis auf wenige Ausnahmen bedeutet die neue Systematik: Es wird teurer, und das nicht zu knapp. Deutlich wird das schon bei der Sommermehrfachkarte, die zu 20 Eintritten berechtigt und deren Preis von 60 auf 80 Euro angehoben wird. Auch der Tagespreis für die Freibäder erhöht sich von bislang einheitlich 5,50 Euro auf 6 bis 7 Euro.
Wer vorher online bucht, kann noch mit Rabatten von 5 bis 20 Prozent rechnen, muss sich allerdings für einen von fünf über den Tag verteilten Einlass-Slots entscheiden, in denen dann der Eintritt garantiert wird. In den Hallen kosten 90 Minuten Schwimmen künftig zwischen 4 und 6 Euro, Tagestickets zwischen 6 und 11,50 Euro. Bislang zahlten Gäste je nach Tageszeit zwischen 3,50 und 5 Euro.
Gestiegen Kosten
Bäderchef Kleinsorg sagt: „Wir steigern die Wirtschaftlichkeit der Bäder.“ Wie viel mehr Einnahmen am Ende zusammenkommen sollen, könne aber nicht vorausgesagt werden. Die Notwendigkeit dafür begründet er der taz gegenüber mit in den vergangenen Jahren gestiegenen Kosten vor allem im Energie- und Personalbereich, während die Preise seit 2014 stabil gehalten wurden. Die höheren Kosten würden durch die nun angehobenen Preise nur „teilkompensiert“.
Auch sei man, so Kleinsorg, in der „Sozialorientierung ganz vorn dabei“, habe im Vergleich zu Bädern in anderen Städten „besonders viele Ermäßigungstatbestände“. Schüler:innen, Azubis, Student:innen und Empfänger:innen von Bürgergeld, Sozialhilfe oder Grundsicherung zahlen jeweils etwa 40 Prozent weniger.
Kai Wegner lässt frösteln
Kalt getroffen haben die Bäder die Sparvorlagen des Senats, der die bisherigen Zuwendungen von 75 Millionen Euro leicht reduziert, aber den Zuschuss für Energiekosten in Höhe von 3 Millionen Euro gänzlich gestrichen hat. Die kalte Dusche geben die BBB voll an ihre Gäste weiter.
Statt das Wasser in den Freibädern auf angenehme 22 Grad Celsius zu heizen, wird das Wasser nun mit der Leitungstemperatur von 12 Grad in die Becken gelassen und soll sich dann von selbst erwärmen. Das bedeutet konkret: Die ungeheizten Sommerbäder werden in den ersten Wochen kaum benutzbar sein. Selbst im vergangenen Oktober hatte das noch geöffnete Prinzenbad Wassertemperaturen von mehr als 15 Grad – und war ohne Neoprenanzug kaum länger als ein paar Minuten auszuhalten.
Ausnahmen gibt es bei sechs Bädern, darunter das Prinzenbad, das Sommerbad Pankow und das Kombibad Seestraße, die mit Solarabsorberanlagen ausgestattet sind. Diese werden so weiterhin beheizt und können wohl ab Mai ernsthaft genutzt werden. Nur das Prinzenbad soll schon am 30. April geöffnet sein.
Als Folge der Sparmaßnahmen soll der Freibadbetrieb in diesem Jahr bereits am 7. September enden. In den vergangenen Jahren waren viele Bäder länger geöffnet – häufig aufgrund der dann immer noch sommerlichen Temperaturen. Viele Gäste waren garantiert. 2024 zählten die Sommerbäder 1,9 Millionen Besucher:innen, 15 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Zumindest eine Verbesserung soll es in dieser Saison aber geben: Die Kassen werden wieder grundsätzlich besetzt sein und – sofern das Bad nicht voll ausgelastet ist – Tickets verkaufen. Zur Erinnerung: Im vergangenen Sommer war der Zutritt oft nur mit Onlinetickets möglich. Dagegen hatte sich die Initiative „Freibad einfach für alle“ unter anderem mit einer Petition gewehrt, denn diese Praxis schließe all jene vom Freibadbesuch aus, die nicht online unterwegs sind.
Die Bäder-Betriebe hatten die Maßnahme damit begründet, lange Schlangen vor den Bädern vermeiden zu wollen, auch um die Sicherheit zu erhöhen. Nun soll es durch die Zeitfenster bei Onlinetickets zu einer Entzerrung kommen und damit derselbe Effekt erreicht werden. Womöglich aber liegt der Sicherheitsgewinn künftig darin, dass sich weniger zahlungskräftige Klientel den Besuch immer seltener leisten kann.
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