Preis für Menschenrechte und Frieden: Patti Smith rockt Beethoven
Die Rocksängerin, Künstlerin und Aktivistin erhält den Beethovenpreis 2020. Auch im Rentenalter setzt sich die 73-Jährige nicht zur Ruhe.
Geboren 1946 in Chicago, aufgewachsen in einer Arbeitersiedlung im vorstädtischen New Jersey, tauchte sie um 1968 in New York auf, sang, spielte Gitarre und trug Poesie vor. Cool, aber trotzdem nahbar. Smith eroberte die bis dahin männerdominierte Rockszene. Etwa zur selben Zeit erschien das dritte Album „Electric Ladyland“ des afroamerikanischen Rockgitarristen Jimi Hendrix. „Keine Frau, kein Mann hat Hendrix je getoppt. Es geht bei ihm nicht um Gender, es geht doch darum, von welchem Planeten er kommt“, hat sie gesagt. Sie sah in Rock ’n’ Roll immer etwas Größeres als nur sich oder das eigene Ego. Der simple Trick, in einem Rocksong höhere Kunst zu sehen, hat ihr über alle Tiefen ihrer mehr als 50-jährigen Karriere geholfen.
Es blieb nicht bei den Helden. Mindestens so viel wie Hendrix vergöttert Patti Smith die Schauspielerinnen Jeanne Moreau und Anna Magnani. Patti Smith war also nicht nur eine der ersten Künstlerinnen, die selbstbewusst ihren Platz im Business einnahmen, sie war mit die Erste, die für ihre künstlerische Selbstwerdung außermusikalische Einflüsse geltend machte: Film, bildende Kunst, Poesie, alles ist gleich viel wert und zählt für die US-Künstlerin, um ihre Rocksongs zu bereichern.
„Somewhere. Over the Rimbaud“ war ein Text über Patti Smith im US-Magazin Crawdaddy 1975 betitelt, da hatte sie gerade ihr Debütalbum „Horses“ veröffentlicht, aufgenommen im Electric Ladyland Studio: simple, energische Rocksongs mit anspielungsreichen Texten, die etwa auf den französischen Dichter Arthur Rimbaud verweisen, aber auch Punkhärte an den Tag legen. Bis heute sind zehn weitere Alben, Gedichtbände, Romane, autobiografisch geprägte Werke von Patti Smith erschienen. Sie ist eine Legende.
Smith interpretiert Rock ‚n‘ Roll inklusiv
Inzwischen mag es gesellschaftlich sanktioniert sein, Smith war die Avantgarde der genderfluiden Rock-’n’-Roll-Inszenierung. Mit Jackett, zerrissenem T-Shirt und Röhrenjeans gab sie sich schon als junge Frau ein flamboyantes Tomboy-Image. Von der machistischen Kulturszene ließ sie sich nie einschüchtern. „Ich begann als Missionarin, aber ich habe nur Glaubensrichtungen gefunden, die den Menschen etwas vorgaukeln, auf Kosten von anderen Menschen, die sie ausschließen.“
So wie Patti Smith Rock ’n’ Roll interpretiert, ist er inklusiv und lädt zum Mitmachen ein. Auch im Rentenalter hat sich die 73-Jährige nicht zur Ruhe gesetzt: Im Sommer hat sie mit 240 Künstler:innen die „Beethoven-Deklaration“ unterzeichnet. Eine Absichtserklärung, die eigene Arbeit in den Dienst einer umweltverträglichen Gesellschaft zu stellen.
Beethoven war der Lieblingskomponist ihres verstorbenen Ehemanns, des Gitarristen Fred Smith. Bei einem Konzert in Bonn 2012 hat Patti Smith erklärt, die Leidenschaft eines Ludwig van Beethoven sei ihr ein Leitstern für das eigene Schaffen. Julian Weber
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