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Präsidentschaftswahl in den USAHarris startet in den Wahlkampf

Während Vize Kamala Harris viel Unterstützung als mögliche Kandidatin der Demokraten erhält, kehrt Amtsinhaber Joe Biden ins Weiße Haus zurück.

Kamala Harris spricht in der Zentrale ihrer Kampagne Foto: Erin Schaff/dpa

Washington dpa | US-Vizepräsidentin Kamala Harris startet mit viel Rückenwind als mögliche Ersatzkandidatin für Joe Biden in den Präsidentschaftswahlkampf. Die 59 Jahre alte Demokratin hat laut Medienschätzungen derzeit die Unterstützung von genügend Delegierten der Demokraten, um im November als Präsidentschaftskandidatin ihrer Partei gegen den Republikaner Donald Trump anzutreten.

Zudem sammelte sie seit dem Rückzug ihres Chefs mit 81 Millionen US-Dollar in 24 Stunden eine Rekordsumme an Spenden. US-Präsident Biden kehrt indes wieder in die Hauptstadt Washington zurück, nachdem er sich seit vergangenem Mittwoch mit einer Corona-Infektion in seinem Privathaus isoliert hatte.

Der Erfolg von Harris weckt bei den Demokraten die Hoffnung auf die langersehnte Wende im Wahlkampf gegen Trump. Wichtige Parteimitglieder, unter anderem Top-Demokratin Nancy Pelosi, stärkten ihr öffentlich den Rücken. Die Unterstützung von den beiden demokratischen Spitzen im US-Kongress steht allerdings noch aus.

Medien: Genug Delegierte stellen sich hinter Harris

Spätestens beim Nominierungsparteitag der Demokraten vom 19. bis 22. August in Chicago könnte Harris zur Kandidatin gekürt werden. Die Präsidentenwahl findet am 5. November statt. Doch bereits jetzt haben etliche Delegierte angekündigt, der Empfehlung Bidens zu folgen und ihre Stimme der Vizepräsidentin zu geben – sie dürfen wegen seines Rückzugs nun frei entscheiden, wen sie wählen.

Um zur Kandidatin gekürt zu werden, benötigt Harris etwas weniger als 2.000 Delegiertenstimmen. Diese Hürde hat sie den Schätzungen verschiedener US-Medien zufolge schon erreicht. Allerdings steht es den Delegierten des Parteitags im August zunächst frei, doch noch auch für einen anderen Kandidaten zu stimmen.

Gleichwohl bedankte sich Harris in einer Stellungnahme bei den Delegierten für deren Unterstützung. „Ich freue mich darauf, die Nominierung bald offiziell anzunehmen“, hieß es darin. Sie sei stolz darauf, dass die Delegierten aus ihrer Heimat Kalifornien dazu beigetragen hätten, sie über die entsprechende Hürde zu bringen, betonte Harris. Medienberichten zufolge geht die Unterstützung der vielen Delegierten aus dem einwohnerstärksten Bundesstaat der USA vor allem auf Pelosi zurück, die als Kongressabgeordnete einen kalifornischen Wahlbezirk vertritt.

Pelosi unterstützt Harris „offiziell, persönlich und politisch“

Die frühere Vorsitzende des Repräsentantenhauses hatte sich zuvor „offiziell, persönlich und politisch“ hinter Harris gestellt. Als langjährige Abgeordnete hat die 84-Jährige weiterhin großen Einfluss innerhalb der eigenen Partei – in der Debatte um Bidens Eignung für eine zweite Amtszeit galt sie als wichtige Strippenzieherin.

Der US-Präsident hatte Harris als erster die volle Unterstützung zugesagt. Weitere Parteigrößen sprachen sich danach zügig für sie aus – darunter vor allem die ebenfalls als mögliche Bewerber gehandelten Gouverneure Gavin Newsom (Kalifornien), Josh Shapiro (Pennsylvania) und Roy Cooper (North Carolina). Auch Konkurrenz von der einflussreichen Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, muss die Vizepräsidentin nach deren Verzicht nicht fürchten. Aus dem linken Flügel der Partei bekam Harris Unterstützung von der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama sprach dagegen nur von der Zuversicht, dass „ein herausragender Kandidat“ gefunden werde. Ebenfalls zurückhaltend blieben zunächst der Minderheitsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, und der Mehrheitsführer der Partei im Senat, Chuck Schumer. Sie attestierten Harris zwar „einen guten Start“. Direkte Unterstützung gab es aber nicht.

Harris-Wahlkampfteam verkündet Rekordspenden

Nicht nur der innerparteiliche Beistand scheint Harris weitestgehend sicher – auch finanziell würde sie gut ausgestattet in ein Rennen gegen Trump starten: Ihr Wahlkampfteam hat eigenen Angaben zufolge in den vergangenen 24 Stunden 81 Millionen US-Dollar gesammelt (73 Millionen Euro).

Dabei handele es sich um die höchste Summe, die jemals in dieser Zeitspanne von einem möglichen Kandidaten oder einer Kandidatin gesammelt worden sei, hieß es. Die 81 Millionen US-Dollar fließen demnach in eine bereits mit rund 240 Millionen US-Dollar gefüllte Kasse (220 Millionen Euro).

Biden kommt zurück nach Washington

Während Harris sich für den Wahlkampf warmläuft, wird Biden heute wieder in die US-Hauptstadt Washington zurückkehren. Der 81-Jährige hatte sich seit vergangenem Mittwoch aufgrund seiner Corona-Infektion in seiner Privatresidenz in Rehoboth Beach im US-Bundesstaat Delaware isoliert. Nach Angaben seines Leibarztes befindet Biden sich auf dem Weg der Besserung. Offen blieb allerdings, ob der US-Präsident weiterhin mit dem Coronavirus infiziert ist.

Welche Termine Bidens diese Woche genau stattfinden, ist ebenfalls unklar. Vor der am Mittwoch geplanten Rede von Benjamin Netanjahu vor beiden US-Kongresskammern wollte Israels Ministerpräsident etwa mit Biden zusammentreffen. Außerdem hatte der US-Präsident angekündigt, seine Beweggründe für seinen Rückzug aus dem Wahlkampf diese Woche näher zu erläutern.

Harris: „Kenne Typen wie Donald Trump“

Kurz vor Bekanntwerden seiner Rückkehr ins Weiße Haus hatte sich Biden telefonisch bei einem Besuch von Harris in der Wahlkampfzentrale der Demokraten zugeschaltet. Es war das erste Mal seit seinem Rückzug, dass die Stimme des Präsidenten öffentlich zu hören war. Seine Entscheidung hatte er schriftlich aus der Corona-Isolation heraus verkündet.

Bei dem Auftritt vor Wahlkampfhelfern in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware ließ Harris schon einmal durchblicken, wie sie sich als Gegenkandidatin zu Trump präsentieren würde. Sie sagte unter anderem, sie habe als Staatsanwältin und Generalstaatsanwältin von Kalifornien mit Verbrechern aller Art zu tun gehabt. „Verbrecher, die Frauen missbraucht, Betrüger, die Verbraucher abgezockt und Schwindler, die Regeln zu ihrem eigenen Vorteil gebrochen haben“, sagte sie. „Hört mir also zu, wenn ich sage, dass ich Typen wie Donald Trump kenne.“

Vance: Harris „eine Million Mal schlimmer als Biden“

Die republikanische Gegenseite ging ihrerseits zu weiteren verbalen Attacken auf Harris über. Bei Auftritten in den Bundesstaaten Ohio und Virginia bezeichnete Trumps Vizekandidat J. D. Vance sie unter anderem als „eine Million Mal schlimmer als Biden“. Sie habe die Politik des Amtsinhabers mitzuverantworten, so der Tenor. Vance zeichnete das Bild von „vernebelten Räumen“, in denen „Elite-Demokraten“ den Sturz von Biden konspirativ geplant hätten. Vergangene Woche hatte das Harris-Team den Vizekandidaten als „Extremisten“ bezeichnet, der selbst von Großspendern aus dem Silicon Valley „gekauft“ worden sei.

Ob Harris Trump schlagen kann, ist offen. Viele Demokraten hoffen darauf, dass sie zumindest verhindert, dass die Republikaner am Ende auch beide Kammern des US-Parlaments kontrollieren – denn bei der Wahl im Herbst werden auch alle Sitze des Repräsentantenhauses sowie rund ein Drittel der Sitze im Senat neu vergeben.

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13 Kommentare

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  • Die letzten gemittelten Umfragezahlen:



    Harris: Zustimmung 38,3%, Ablehnung 51,4%, Netto -13,1% (Biden lag noch etwas schlechter).



    Trump: Zustimmung 41,8%, Ablehnung 53,7%, Netto -11,8%.



    Die reine Stimmenmehrheit wird Harris nicht reichen. Vor 8 Jahren hatte Trump auch weniger Stimmen und hatte trotzdem mehr Wahlmänner. Ost- und Westküste wählen demokratisch, der Süden und die Mitte republikanisch. Harris muss in den alten Industriezentren Trump schlagen. Ich fürchte, dafür hat sie nicht genügend Charisma.



    Hoffen wir, dass Biden den Demokraten mit der schnellen Empfehlung für Harris keinen Bärendienst erwiesen hat. Newsom oder Whitmer hätten meiner Meinung nach bessere Erfolgsaussichten gehabt.

    • @Spickerfresse:

      Das glaube ich nicht. Whitmer und Newsom sind überregional kaum bekannt. Harris schon. Und es gibt Spendegelder, die nur sie darauf Zugriff hat, weil die Gelder für das Tandem Biden-Harris gespendet worden. Und Geld spielt eine wesentliche Rolle in einer amerikanische Wahlkampagne! Nein, Whitmer oder Newsom sollen sich besser für 2028 positionieren. Jetzt reicht schlechtweg die Zeit nicht mehr.

    • @Spickerfresse:

      Es gab da wohl auch rechtliche Probleme einen ganz neuen Kandidaten aufzustellen, der Vice wird jetzt wichtig.

  • Zitat msn.com: "In einer Umfrage von CBS/News und YouGov kommt der 78-jährige Ex-US-Präsident auf 51 Prozent und die frühere Generalstaatsanwältin Kamala Harris auf 48 Prozent. Bei einer Befragung von Fox News führt Trump mit einem Prozentpunkt vor Kamala Harris. Als deutlicher Sieger geht Trump in einer Wettumfrage hervor. Wie "oddscheker" schreibt, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass er die US-Wahlen gewinnt, bei 61 Prozent. Bei Kamala Harris liegt die Wettquote bei 31 Prozent."

    • @justus*:

      Interessant aber, dass an derselben Stelle die Quote für das Popular Vote ebenso deutlich zugunsten der Demokraten ausfällt.

  • Alleine schon des Lächeln wegen ist sie Trump um Meilen im voraus.

  • Ihre Ansage, dass sie Typen wie Trump aus ihrer Zeit als Staatsanwältin kennt, war vom Feinsten.

    • @Tino Winkler:

      Es ist am Ende halt nur ein Spiegelbild der Strategie von Trump: Die Gegenseite besteht aus Lügnern und Verbrechern!

      Anstatt eimnzig die Gegenseite zu beschimpfen sollten sich die Dems aber lieber überlegen was sie selbst, ganz unabhängig von Trump, zu bieten haben.

      Die Beschimpfungsstrategie ist mE nicht sehr erfolgsversprechend, da ist Trump einfach "besser" drin...

      "Wählt mich, weil ich bin nicht Trump!" mag in den Ohren der eher linken Hälfte der Wählerschaft sinnig klingen, aber da Trump in den Umfragen leicht führt, scheint dieses Argument beim Rest der Leute halt nicht zu ziehen.

      Diese Komponente des gegenseitigen Runtermachens war mE schon bei Bidens Wahlkampf zu stark ausgeprägt, zumindest schien es mir anhand der Berichterstattung hierzulande so, als würde man sich da gerade den Kopf einrennen, beim Versuch eine reine "Anti-Trump-Kampagne" zu fahren.

      Das ist mE der Versuch die Trumpisten zu bekehren, was ich für aussichtslos halte. Es wird mehr brauchen als Trump zum Lügner und Verbrecher zu stempeln, das funktioniert ja auch schon seit einem knappen Jahrzehnt nicht.

      • @Nafets Rehcsif:

        Nein, es ist definitiv kein Spiegelbild der Strategie von Trump. Im Gegenteil! Harris sagt die Wahrheit, sie beschimpft Trump nicht! Donald Trump ist ein verurteilter Verbrecher und sie hat damals in ihrer Funktion als Staatsanwältin solche Verbrecher gejagt. Es ist schlichtweg faktisch die Wahrheit und sowas ist Mangelware bei Trump! Und es gibt noch ein republikanisches Wählerreservoir, das z.B lieber Nikki Haley gewählt hätte als Trump. Diese Wählerschaft fühlt sich vielleicht heimatlos und könnte vielleicht eine nicht ganz im linken Spektrum angesiedelte Demokratin wie Harris wählen. Es gibt noch "Never Trumper" bei der Republikanern, die Harris erreichen könnte, vielleicht mit dem richtigen Vize an ihrer Seite.

      • @Nafets Rehcsif:

        Niemand stempelt Trump als Lügner und Verbrecher, er ist doch einer und Frau Harris spricht nur die Wahrheit aus.



        Echte Trumpisten sehen ihren Lügner und Verbrecher als Vorbild, weil sie es selbst sind.

        • @Tino Winkler:

          Es wird nicht funktionieren, es funktioniert auch schon seit einem Jahrzehnt nicht. Meine Meinung.

    • 6G
      616719 (Profil gelöscht)
      @Tino Winkler:

      genau, und dann noch "sie habe als Staatsanwältin und Generalstaatsanwältin von Kalifornien mit Verbrechern aller Art zu tun gehabt."

      • @616719 (Profil gelöscht):

        Genauso sollte Harris mit Trump umgehen. Zudem stimmt das was sie über Trump sagt.



        Man sieht auch an den Reaktionen von Trump und Vance, ihren üblen Beleidigungen und Beschimpfungen, dass es diesen gar nicht passt, dass Biden nicht mehr kandidiert.



        Das einzige was Trump gut kann, ist andere zu beleidigen und zu beschimpfen. Untragbar der Kerl. Sagt zudem vor der Wahl schon, dass er alles andere als einen Sieg von sich nicht anerkennen wird.