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Präsidentschaftswahl in RumänienEin Sieg gegen Trump

Kommentar von Barbara Oertel

Rumänien hat sich entschieden: für einen proeuropäischen Weg und gegen Nationalismus. Nun muss der neue Präsident Nicușor Dan das Land einen.

Freude über den neuen Präsidenten Rumäniens: Der liberale Nicoșur Dan Foto: Andreea Alexandru/ap

N a bitte, geht doch: Der konservativ-liberale proeuropäische Bukarester Oberbürgermeister Nicușor Dan hat das Rennen um das Präsidentenamt in Rumänien in der zweiten Runde für sich entschieden – und das mit knapp 54 Prozent der Stimmen auch noch überraschend deutlich. Offensichtlich war der Chef der rechtsradikalen Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR) George Simion für die Mehrheit der Ru­mä­n*in­nen schlussendlich denn doch keine Alternative.

Denn das hätte bedeutet, einem Mann mit einer faschistischen Agenda die Geschicke des Landes anzuvertrauen: Rumänien nach Trumpscher Manier wieder groß zu machen, Annexionsfantasien in Bezug auf die Ukraine und Teile der Republik Moldau, ein Credo für die Verteidigung der nationalen Souveränität und ein ausgeprägter Euroskeptizismus. Hinzu kam noch die wenig erfreuliche Aussicht auf die Ernennung von Călin Georgescu zum Regierungschef. Er war von der wiederholten, weil durch das Verfassungsgericht annullierten Wahl ausgeschlossen worden und kommt aus derselben braunen Suppe wie Simion.

Dass viele Ru­mä­n*in­nen die Bedeutung dieser Wahlen als fundamentale Richtungsentscheidung verstanden haben, zeigt nicht zuletzt auch die Wahlbeteiligung von 64,7 Prozent – der höchste Wert seit 20 Jahren. Doch auch wenn es allen Grund dafür gibt, kurz durchzuatmen – nicht zuletzt auch in Brüssel, das jetzt weiter auf einen verlässlichen Partner zählen kann, und in der Ukraine – die Aufgaben, die vor Nicușor Dan liegen, sind gewaltig.

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Er muss versuchen, die extrem polarisierte Gesellschaft zusammenzuführen. Das heißt, auch diejenigen zu adressieren, die sich abgehängt fühlen und deren Politikverdruss stetig gewachsen ist. Auch die Beschaffung einer Mehrheit im Parlament, um dringend notwendige Reformen in der Justiz anzugehen, das Haushaltsdefizit zu reduzieren und den Kampf gegen Korruption zu forcieren, ist kein Selbstgänger.

Als Erstes muss Dan jetzt einen Regierungschef ernennen. Dabei wird es vor allem auch auf die Sozialdemokraten ankommen, die es gilt, mit ins Boot zu holen. Das ist nicht leicht, aber es ist machbar. Dans bemerkenswerte Aufholjagd vor dem zweiten Wahlgang hat gezeigt, wozu er in der Lage ist.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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4 Kommentare

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  • Solche knappen Mehrheiten für die Demokratie sind tatsächlich erschütternd und zeigen die Notwendigkeit auf, die Propagandamedien Facebook & Co in Europa zu sperren. Deutlich wird auch die Krise der Parteiendemokratie. Meiner Meinung nach kann nur mehr Bürgerbeteiligung das Vertrauen in die Demokratie wieder festigen. Ob die Parteien das zulassen werden, ist allerdings fraglich.

    • @Ray No:

      Statt sperren vielleicht eher mehr Leute organisieren, die allgemein für Demokratie online und im Besonderen in die Asozialen Hetzwerke gehen und dagegenargumentieren.

  • Wenn ich das schon lese: "Proeuropäisch". Kann ein Land in Europa nicht "proeuropäisch" sein? Wenn ja, was ist es dann "pro-afrikanisch" oder "pro-australisch"? Hier wird Europa mit EU gleich gesetzt. Was falsch ist! Richtig wäre: "pro-EU"! Und ja, man kann für Europa, aber gegen die (derzeitige) EU sein.

  • Knapp 54 Prozent der Stimmen gegen rechtsextrem sind also «überraschend deutlich». Übersetzt das mal auf deutsche Verhältnisse!