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Präsidentschaftswahl in RumänienRumänisches Maga-Programm

Kommentar von Barbara Oertel

Bei der Wahl erringt der rechte Kandidat George Simion die meisten Stimmen. Gewinnt er auch die Stichwahl, ist das auch für Europa eine Katastrophe.

Ein Amerikaner für Rumänien, aber Hauptsache immer schön autoritär Foto: Andreea Alexandru/AP

R umänien drohe ein Rechtsdruck, schreibt eine deutsche Nachrichtenagentur am Montag nach der Wiederholung der annulierten Präsidentenwahl. Schön wär’s. Dieser Rechtsruck ist längst da, besser gesagt: war er seit 1989 nie weg. Ein nicht unerheblicher Teil von Ver­tre­te­r*in­nen der politischen Klasse propagiert – damals wie heute – offen nationalistisches und völkisches Gedankengut oder zeigt sich zumindest dafür offen. Offensichtlich fallen diese Ideen bei vielen Ru­mä­n*in­nen auf fruchtbaren Boden – was die Frage aufwirft, warum es an ernst zu nehmenden und wählbaren demokratischen Alternativen fehlt.

Die gab es auch am vergangenen Sonntag nicht, weswegen das gute Abschneiden mit über 40 Prozent des ultrarechten Kandidaten George Simion nicht überrascht. Er steht für EU-Skeptizismus, Verteidigung der nationalen Souveränität, gepaart mit Annexionsfantasien hinsichtlich der Ukraine und Teile der Republik Moldau. Dazu passt, dass Simion als glühender Verehrer von US-Präsident Donald Trump Rumänien wieder groß machen will. Reicht dieses rumänische „Maga-Programm“ für einen Sieg bei der Stichwahl? Mit einer Bevölkerung, deren Politikverdruss stetig wächst?

Dass Simion am Wahltag den Schulterschluss mit Călin Georgescu probte, ist kein Zufall. Der Rechtsaußen, Sieger der ersten Wahlrunde im November, wurde vom Verfassungsgericht mit einer juristisch umstrittenen Entscheidung disqualifiziert, weil Russland seine Hände im Spiel gehabt haben soll. Für eine erneute Kandidatur wurde Georgescu nicht zugelassen. Die Frage ist, ob und inwieweit es Simions Herausforderer in der zweiten Runde, dem neoliberalen Bukarester Oberbürgermeister Nicușor Dan, gelingt, die Wäh­le­r*in­nen zu mobilisieren.

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Er wäre das kleinere Übel. Denn im Fall eines Sieges vom Simion stünden dem Land unruhige Zeiten bevor und vielleicht vorgezogene Parlamentswahlen ins Haus – mit der Aussicht auf eine weitere Stärkung der rechten Kräfte. Damit bekäme Europa ein weiteres Problem. Und das nicht nur mit Blick auf die Ukraine.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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1 Kommentar

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  • "Ein nicht unerheblicher Teil von Ver­tre­te­r*in­nen der politischen Klasse propagiert – damals wie heute – offen nationalistisches und völkisches Gedankengut oder zeigt sich zumindest dafür offen."

    Wie konnte ein Land in solchem Zustand Mitglied der EU werden? Ging Quantität wieder einmal vor Qualität?