Präsidentschaftswahl im Iran: Eine Frau an der Staatsspitze?
Ex-Ministerin Wahid Dastscherdi könnte kandidieren. Obwohl sie erzkonservativ und frauenfeindlich ist, wäre das eine Sensation.
Die stets mit einem schwarzen Schleier verhüllte Ärztin ist die einzige Frau in der Islamischen Republik, die ein Ministeramt innehatte. Und dies auch noch unter dem Erzkonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der ihr die Leitung des Gesundheitsministeriums übertragen hatte.
Dastdscherdi saß auch zwei Wahlperioden als Abgeordnete im Parlament und hatte zudem eine leitende Funktion an der medizinischen Fakultät der Teheraner Universität. Die 56-jährige, die zurzeit Sprecherin der neu gegründeten „Populären Front revolutionärer Kräfte“ ist, vertritt frauenfeindliche Positionen. Sie war es, die unter anderem eine Trennung von Frauen und Männern in Krankenhäusern forderte und die UN-Konvention gegen Diskriminierung von Frauen ablehnte.
Inzwischen hat Dastdscherdi die Nachricht über ihre Kandidatur dementiert. „Dass mein Name als Kandidatin für das Amt des Staatspräsidenten genannt wird, ist eine Lüge“, sagte sie. Nichtsdestotrotz hat die Nachricht die Diskussion darüber entfacht, ob eine Frau dazu geeignet sei, die Regierung zu führen.
Verfassung uneindeutig
Die Verfassung der Islamischen Republik gibt dazu keine eindeutige Antwort. Sie betont lediglich, dass der Staatspräsident aus den Reihen der politischen „Redschal“ kommen muss. Das Wort Redschal ist aber zweideutig. Es kann „Männer“ bedeuten oder „Persönlichkeiten“.
Der Wächterrat, das Gremium, das für die Auslegung der Verfassung zuständig ist, hat bislang in dieser Frage keine eindeutige Position bezogen. Im Gegenteil. Der Rat, der vor der Wahl über die Eignung der Kandidaten entscheidet, hat zwar Frauen nicht untersagt, sich für das Amt des Präsidenten zu bewerben, aber stets Frauen, die sich beworben hatten, abgelehnt.
Da er aber für die Ablehnung keine Begründung lieferte und der Rat auch männliche Bewerber abgelehnt hat, bleibt ungewiss, ob die Frauen abgelehnt wurden, weil sie weiblichen Geschlechts sind oder weil ihnen die erforderlichen Voraussetzungen fehlten.
Die Wahl einer Frau zum Staatspräsidenten in der Islamischen Republik wäre eine Sensation – selbst dann, wenn die Gewählte so erzkonservativ und frauenfeindlich wäre wie Dastdscherdi. Die meisten geistlichen Instanzen, die Großayatollahs, sind grundsätzlich dagegen, dass Frauen hohe Ämter übernehmen.
Weibliches Potenzial nutzen
Das zeigte sich auch bei den heftigen Debatten, die über die Nominierung Dastdscherdis als Ministerin für Gesundheit im Parlament stattfanden. Nur eine knappe Mehrheit stimmte der Nominierung zu.
Der amtierende Staatspräsident Hassan Rohani hatte bereits vor seiner Wahl erklärt, er werde weitaus mehr als bisher das Potenzial von Frauen für die Verwaltung und Entwicklung des Landes einsetzen. Da er aber vermutlich befürchtete, dass er für den Einsatz von Frauen als Ministerinnen nicht die Zustimmung des Parlaments erhalten und heftige Proteste seitens religiöser Instanzen hervorrufen würde, zog er es vor, Frauen zu Vizepräsidentinnen zu ernennen. So sind von den elf Vizepräsidenten drei Frauen. Sie sind für die Bereiche Frauen und Familie, Umwelt, und juristische Fragen zuständig.
Rohanis Versprechen, das Potential der Frauen zu nutzen, wurde, betrachtet man die unteren Ebenen der Verwaltungshierarchie, nicht eingelöst. Von den mehr als einhundert Posten für Vizeminister sind nur zwei von Frauen besetzt. Auch im islamischen Parlament sind Frauen eine kleine Minderheit. Von den 289 Abgeordneten sind lediglich siebzehn Frauen.
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