Präsidentschaftswahl Algerien: Wahlbeteiligung unter 50 Prozent
Sieger wird wohl der mit harter Hand regierende Amtsinhaber Tebboune. Doch glücklich mit der Wahlbeteiligung ist er nicht.
Statt wie geplant um 20.00 Uhr schlossen die Wahllokale in dem nordafrikanischen Land erst um 21.00 Uhr Ortszeit (22.00 Uhr MESZ). Bis 17.00 Uhr Ortszeit hatte die Beteiligung laut Wahlbehörde Anie erst bei 26,46 Prozent gelegen – und damit rund sieben Prozentpunkte niedriger als zur selben Uhrzeit bei der vorherigen Präsidentschaftswahl im Jahr 2019.
Laut Anie wurde auf „Aufforderung einiger Koordinatoren“ die Öffnung der Wahllokale daher um eine Stunde verlängert. Um die Stimmabgabe zu erleichtern, waren am Samstag auch die öffentlichen Verkehrsmittel in Algerien gratis.
Zu dem Urnengang waren mehr als 24 Millionen Bürger aufgerufen, ein Drittel von ihnen jünger als 40 Jahre. Amtsinhaber Abdelmadjid Tebboune trat als klarer Favorit an. Experten zufolge hatte der 78-Jährige auf eine hohe Wahlbeteiligung gehofft, nachdem sie bei seiner Wahl 2019 auf einem Rekordtief gelegen hatte: 60 Prozent der Bürger hatten damals nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.
Amnesty: „Brutale Unterdrückung der Menschenrechte“
„Er will ein normaler Präsident sein, kein kaum gewählter Präsident“, erklärte der Politologe Hasni Abidi vom Genfer Forschungszentrum Cermam mit Blick auf Tebbounes erneute Präsidentschaftskandidatur.
Tebboune, der Algerien mit harter Hand regiert, trat am Samstag als Unabhängiger an. Er wird von vier großen politischen Gruppierungen unterstützt, darunter die ehemalige Einheitspartei FLN und die islamistische Bewegung Al-Bina, die bei der Präsidentschaftswahl 2019 zweitstärkste Kraft geworden war.
Seine zwei Herausforderer gelten als chancenlos: Kandidat und Chef der größten islamistischen Partei MSP ist der 57-jährige Abdelaali Hassani. Seine Bewegung für eine Gesellschaft des Friedens hatte die Wahl 2019 boykottiert.
Der dritte Bewerber ist Youssef Aouchiche, ein 41-jähriger ehemaliger Journalist und Senator. Er ist Vorsitzender der Front der sozialistischen Kräfte (FFS), einer Oppositionspartei aus der Berberregion Kabylei, die alle Wahlen seit 1999 boykottiert hatte.
2019 waren die Algerier in Massen auf die Straße gegangen, um gegen eine weitere Kandidatur des damals seit 1999 amtierenden gebrechlichen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika zu protestieren. Die als „Hirak“ bezeichneten Proteste gingen auch nach dem Rücktritt Bouteflikas und der Wahl Tebbounes, seines ehemaligen Regierungschefs, weiter. Tebboune ließ hunderte Aktivisten inhaftieren, verbot die wöchentlichen Kundgebungen und ging mit Unterstützung des Militärs hart gegen Andersdenkende vor.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht von einer „brutalen Unterdrückung der Menschenrechte“ in Algerien und prangert „eine Null-Toleranz-Politik gegenüber abweichenden Meinungen“ in einem „Klima der Angst und Zensur“ an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen