Präsidentenwahl in Usbekistan: Haushoher Sieg
Staatschef Schawkat Mirsijojew gewinnt mit 80,1 Prozent der Stimmen die Präsidentenwahl. Kandidat*innen der Opposition waren nicht zugelassen.
Mirsijojew, von 2003 bis 2016 Regierungschef unter dem autoritären Langzeitherrscher Islam Karimow, wurde nach dessen Tod 2016 zum Staatsoberhaupt gewählt. Anders als Karimow, der den rohstoffreichen 34-Millionen-Einwohner-Staat zu einem der abgeschottesten Länder der Welt gemacht hatte, war Mirsijojew mit einer Reformagenda angetreten.
In der Tat hat er einiges auf der Habenseite vorzuweisen. So öffnete sich Taschkent für ausländische Investitionen und verbesserte seine Beziehungen zu den Nachbarstaaten in der Region. Dutzende politische Gefangene, die teilweise jahrzehntelange Haftstrafen verbüßt hatten, kamen frei. Auch der weit verbreiteten Zwangsrekrutierung von Arbeitskräften für die Ernte von Baumwolle – eines der wichtigsten Exportgüter Usbekistans –, die auch vor Kindern nicht Halt machte, setzte Mirsijojew ein Ende.
Demgegenüber stellte sich jedoch für einen Großteil der Bevölkerung keine spürbare Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation ein. Versprechen, kostenloses Schulessen einzuführen oder die „Mahallas“, eine Art nachbarschaftliche Selbstverwaltung, mit zusätzlichen Mitteln auszustatten, blieben genauso uneingelöst wie Finanzspritzen in die marode Infrastruktur. Im vergangenen Winter waren Stromausfälle an der Tagesordnung. Auch für dieses Jahr rechnen Expert*innen in der kalten Jahreszeit mit ähnlichen Problemen.
Millionen für eine Luxusresidenz
Auch der weit verbreiteten Korruption hatte Mirsijojew den Kampf angesagt. Zwar hat sich die Situation laut Transparency International leicht verbessert. Auf dem Korruptionsindex für 2020 nimmt Usbekistan den 146. von 180 Plätzen ein, 2019 wurde das Land noch auf Rang 153 geführt.
Im vergangenen Februar brachte eine Recherche des usbekischen Dienstes von Radio Freies Europa jedoch ans Licht, dass mehrere Millionen US-Dollar in ein Bauprojekt zur Errichtung einer Luxusresidenz etwas außerhalb der Hauptstadt Taschkent geflossen sein sollen, die Mirsijojew künftig zu nutzen gedenkt.
Auch im politischen Bereich hat der Reformeifer des Staatschefs Grenzen. Das zeigte sich vor allem in den Monaten vor der Präsidentenwahl. Drei oppositionelle Parteien erhielten keine Registrierung – eine Voraussetzung, um eigene Kandidat*innen aufstellen zu dürfen.
Ein echter Wahlkampf bzw. Debatten zwischen den Kandidat*innen fanden nicht statt, weswegen Mirsijojews Mitstreiter*innen den Wähler*innen in Usbekistan weitgehend unbekannt blieben. Eine Ausnahme war nur der Kandidat Alischer Kadirow. Im vergangenen Juni hatte er vorgeschlagen, alle LGBTQ-Menschen des Landes zu verweisen. Für wesentlich größere Aufregung hatte seine Forderung einige Monate später gesorgt, auf Auslandsüberweisungen usbekischer Arbeitskräfte an ihre Familien Steuern zu erheben. Viele Usbek*innen sind auf diese Zahlungen angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Ausreise verweigert
In den vergangenen Wochen häuften sich zudem Berichte über Repressionen gegen Regimekritiker*innen. So wurde dem Sänger Jahongir Otajanow die Ausreise in die Türkei verweigert. Otajanow hatte bei der Präsidentenwahl für die verbotene Partei Erk antreten wollen, sein Vorhaben aber fallen lassen, nachdem er und seine Familie massiv unter Druck gesetzt worden waren.
Im August wurde der Blogger Valijon Kalonow unter dem Vorwurf, den Präsidenten beleidigt zu haben, festgenommen. Er hatte zu einem Boykott der Wahl aufgerufen.
Hugh Williamson, Direktor für Europa und Zentralasien bei der US-Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch (HRW) spricht von einer verpassten Chance. „Usbekistan hätte echtes Engagement für Reformen zeigen können, wenn Kandidaten zugelassen worden wären, die die Meinung der Regierung nicht teilen“, zitiert ihn das Nachrichtenportal Eurasianet.org. „Aber leider hat es das nicht getan.“
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