Präsidentenwahl in Belarus: Lukaschenko setzt noch einen drauf
Am Sonntag will der Dauerherrscher Alexander Lukaschenko 86,82 Prozent der Stimmen erhalten haben. Von echten Wahlen kann keine Rede sein.
Die anderen vier Kandidat*innen, allesamt stramm auf Lukaschenko-Kurs, landeten alle im einstelligen Bereich. Einer von ihnen, Oleg Gaidukewitsch, hatte bereits vor der Schließung der Wahllokale eine Erklärung abgegeben. Man müsse nicht Nostradamus sein, um zu verstehen, dass der derzeitige Präsident die Wahlen gewinnen werde. Das habe jeder vor den Wahlen gewusst, sagte Gaidukewitsch. Er war bis 2024 Parlamentsabgeordneter und wurde unter anderem von der EU mit Sanktionen belegt.
Unabhängige Wahlbeobachter*innen, wie beispielsweise von der OSZE, waren nicht anwesend. Im Ausland lebende Balaruss*innen konnten nicht abstimmen, da dort keine Wahllokale geöffnet hatten. Begründet worden war das mit „fehlenden Sicherheitsmaßnahmen“ und dem Abbau von belarussischem Diplomatenpersonal in einigen Ländern.
Auch ansonsten war das Terrain für die „Wahlen“ in bewährter Manier bereitet. So hatten die Behörden umfangreiche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, über die das Staatsfernsehen ausführlich berichtete. Im Falle von Massenprotesten hatte Lukaschenko zudem damit gedroht, das Internet abzuschalten. Die Behörden hatten das Fotografieren ausgefüllter Stimmzettel verboten. Diese waren 2020 häufig dazu genutzt worden, um Wahlbetrug nachzuweisen.
Abstimmung im Koma
Das unabhängige belararussische Internetportal Zerkalo, das der russischsprachige Dienst der BBC zitiert, berichtete, dass es Mitarbeitern von Regierungsbehörden untersagt worden sei, Urlaub zu nehmen. Chefärzte seien verpflichtet worden, Patient*innen erst am Montag, dem 27. Januar, zu entlassen. In die Wählerlisten hätten auch diejenigen aufgenommen werden müssen, die auf der Intensivstation gelegen hätten. „Alle mussten ‚abstimmen‘, auch wenn sie bewusstlos waren“, schreibt Zerkalo.
Am Wahltag blieben bei einer Pressekonferenz von Lukaschenko, der seit 1994 an der Macht und ein enger Verbündeter von Russlands Präsident Wladimir Putin ist, keine Fragen offen. „Erkennen Sie diese Wahlen an oder nicht: Das ist eine Frage des Geschmacks und es ist mir egal. Die Hauptsache für mich ist, dass die Belaruss*innen diese Wahl anerkennen“, sagte Lukaschenko – eine klare Botschaft an die EU.
Einem BBC-Korrespondenten entgegnete er auf die Frage, ob Wahlen als demokratisch angesehen werden könnten, wenn seine politischen Gegner*innen entweder im Gefängnis oder im Exil seien: „Man hat das Recht, zu wählen, ob man im Gefängnis oder im Exil ist.“
Die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja, die 2020 gegen Lukaschenko angetreten war und derzeit im litauischen Exil lebt, hatte ihre Landsleute dazu aufzurufen, bei der Wahl gegen alle zu stimmen oder sich zu enthalten. Die Menschen sollten nicht auf die Straße gehen. „Das ist nur ein Betrug. Dort findet eine militärische Operation statt, eine Show, die das Regime organisiert, um an der Macht zu bleiben“, sagte Tichanowskaja.
Kein legitimer Präsident
Auch zahlreiche westeuropäische Politiker*innen hatten sich bereits im Vorfeld zu den Wahlen geäußert. Was heute in Belarus passiere, könne man nicht als Wahlen bezeichnen. Alexander Lukaschenko nutze erneut die Attribute der Demokratie, um an der Macht zu bleiben. „Aber er ist und wird nicht der legitime Präsident von Belarus sein“, schrieb Litauens Präsident Gitanas Nausėda auf X.
Polens Außenminister Radosław Sikorski verwahrte sich gegen die Bezeichnung von Lukaschenko als letzten Diktator Europas. „Wladimir Putin hat ihn bei Diebstahl, Unterdrückung und Kriegsverbrechen übertroffen“, schrieb Sikorski auf X.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sprach von einer eklatanten Beleidigung der Demokratie. Lukaschenko sei illegitim. Am 22. Januar hatte das Europäische Parlament eine Resolution verabschiedet, in der die Präsidentenwahl als Scheinwahl verurteilt wird.
Die Wahl in Belarus war am Sonntag von zahlreichen Protesten im Ausland begleitet. Die größte Kundgebung fand in der polnischen Hauptstadt Warschau statt. Die Demonstrant*innen trugen eine große weiß-rot-weiße Flagge durch die Straßen der Stadt. Laut dem russischen unabhängigen Medium SOTA nahmen an dem Marsch auch Vertreter des Regiments Kastus Kalinovsky teil, das auf der Seite der ukrainischen Streitkräfte gegen die russische Armee kämpft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!