Präsident stoppt Anti-Doping-Kampf: Handball wird kontrollfreier Raum

Der Internationale Handballverband hat die Anti-Doping-Kommission faktisch aufgelöst. Präsident Hassan Mustafa will das nicht zugeben. Am Rande der WM wird nun sein Rücktritt gefordert.

Gefährliches Spiel: Der Internationale Handballverband hat seine Anti-Doping-Agentur faktisch aufgelöst. Bild: dpa

VARAZDIN taz Für ihn ist es nur ein großes Missverständnis. "Wir kämpfen gegen Doping. Das sind unsere Athleten, das ist unsere Familie", beteuert Hassan Mustafa. Der ägyptische Präsident der Internationalen Handball-Föderation (IHF) will nicht verstehen, dass er in den letzten Wochen unter mediales Feuer geraten ist. Die Berichte über fehlende Trainingskontrollen, die Auflösung und gestrichene Budgetierung der Anti-Doping-Unit (ADU), all das sei eine "Fehlinformation". Mit dem ganzen Vorgang habe er "nichts zu tun". Am Dienstag erklärte er, das jährliche Budget betrage 45.000 Franken. "Und wenn sie mehr brauchen, müssen sie es mir sagen."

Für Hans Holdhaus sind die Statements Mustafas schlicht die Unwahrheit. "Da wird gelogen ohne Ende", sagt das österreichische Mitglied der medizinischen Kommission, der die ADU aufgebaut hatte. Die telefonische Aufforderung Mustafas, kurzfristig nach Kroatien zu kommen und die aufgeregte Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz zu beruhigen, lehnte Holdhaus ab. Das bringe nichts.

Laut Protokoll hat die IHF-Exekutive auf ihrer Sitzung am 18. Juli 2008 in Bratislava das beantragte Budget der ADU nicht genehmigt. Alle Fragen seien fortan von der Medizinischen Kommission zu verwalten, heißt es weiter. Die ADU war faktisch aufgelöst. "Wir sind immer behindert worden", so fasst es Holdhaus zusammen. Bereits am 21. Mai 2008 hatte Holdhaus den Präsidenten persönlich über Verstöße gegen das eigene Anti-Doping-Reglement hingewiesen. Als IHF-Schatzmeister Miguel Roca für die Beach-Handball-WM im Juli in Cádiz auf einen IHF-Supervisor für die Dopingkontrollen verzichtete, beschwerte sich Holdhaus darüber, nicht in die Entscheidung involviert gewesen zu sein. Und er warnte Mustafa: "Ich verstehe, dass die Veranstalter Kosten sparen wollen, aber hier geht es um ein äußerst sensibles Thema, welches uns im Bedarfsfall auch international schaden könnte."

Entweder lügt der Präsident oder er hat starke Erinnerungslücken. Vor der WM war bekannt geworden, dass die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) dem Verband im November 2008 eine Frist gesetzt hatte, endlich ein System für Trainingskontrollen zu installieren. Sollte die IHF dem aktuellen Wada-Kodex nicht entsprechen, könnte das Internationale Olympische Komitee (IOC) im Oktober 2009 in Kopenhagen den Handballsport von der Liste der olympischen Sportarten streichen. Die Mannschaftssportarten seien in Verhandlungen mit der Wada, erklärte Mustafa dazu, man könne im Dopingkampf nicht Individualsportler mit Mannschaftsathleten gleichsetzen. "Im März gibt es mit Jacques Rogge und der Wada deswegen einen Termin", so Mustafa. Dass dann die Mannschaftssportarten tatsächlich einen anderen Status erreichen können, glaubt Reiner Witte nicht. "Das ist viel zu spät. Das hätte man viel früher machen müssen. Ich vermute, dass die Wada ihren Code nicht mehr ändern wird", sagt der Präsident der deutschen Handball-Bundesliga.

Das gefährliche Spiel Mustafas wird in der Bundesliga heftig kritisiert. "Die Ignoranz, mit der die IHF diese Anti-Doping-Politik behandelt, ist unglaublich", sagt HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann. Wie Mustafa damit umgehe, sei "dilettantisch". Bohmann fordert indirekt den Rücktritt des Ägypters ("Eine neue, unverbrauchte Führung bei der IHF täte gut") und steht damit auf einer Linie mit dem Schweizer IHF-Generalsekretär Peter Mühlematter. Der hatte Mustafa, der in den letzten Jahren wegen diverser Skandale den Handball in Verruf gebracht hatte, tags zuvor zur Demission aufgefordert. "Für den Handball ist eine solche Leitung gar nicht gut." Bislang gilt die Wiederwahl des 64-jährigen Ägypters, der seit November 2000 als IHF-Präsident amtiert, beim nächsten Wahlkongress im Juni als sicher - auch weil er dann ein Heimspiel hat: Der Kongress findet in Ägypten statt.

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