Potica aus Slowenien: Friede, Freude, Hefekuchen
Treffen sich ein Papst und eine Präsidentengattin und reden über … slowenisches Festtagsgebäck. Das ist kein Witz – es geht um eine Institution.
Ein Land, dessen Hymne eigentlich ein Trinklied ist, zettelt keine Kriege an. Ein Land, dessen Marine gerade einmal über zwei Schiffe verfügt, um 42 Kilometer Küstenstreifen zu bewachen, hat andere Strategien, um seinen Platz in der Welt zu behaupten. Die Republik Slowenien, die in diesem Jahr den 26. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit feiert, verfolgt seit dem Jahr 2006 eine „kulinarische Strategie“.
Der kleine Staat, immerhin fast zehnmal so groß wie das Saarland, ist nunmehr in 24 gastronomische Regionen unterteilt, in denen über 300 unverkennbare Gerichte serviert werden. Hartnäckig verteidigt das Land zwischen Balkan, Italien, Ungarn und Österreich seine kulinarische Identität und hat unter anderem die Krainer Wurst und das steirische Kürbiskernöl bei der Europäischen Kommission als „Lebensmittel mit geschützter geografischer Angabe“ eintragen lassen.
Das Flaggschiff der slowenischen Küche, das Feiertagsgebäck Potica, soll nun ebenfalls diesen Status verliehen bekommen, zumindest gibt es die Absicht bei der Landwirtschaftskammer in Ljubljana. Immerhin hat der Kuchen es jüngst zu einigem Weltruhm gebracht: Als das Ehepaar Trump im Mai den Vatikan besuchte, fragte der Papst das dem POTUS angetraute slowenische Landeskind Melanija, womit sie den groß und kräftig geratenen Präsidenten denn wohl füttere, mit „Potica“ womöglich? Was die First Lady, nach der in Slowenien gerade eine eigene Torte benannt wurde, tatsächlich bejahte.
Nachdem die italienische Presse zunächst aufgrund eines Übersetzungsfehlers vermutet hatte, das der Heilige Vater „Pizza“, nicht „Potica“ gemeint hatte, stellte sich heraus, das er tatsächlich auf die Süßspeise angespielt hatte. Ein Dialog, der nur auf den ersten Blick bizarr anmutet. Es wird nun vermutet, das Franziskus den meist mit Nüssen gefüllten Hefekuchen von einer seiner Nichten her kennt, die in Argentinien mit einem Slowenen verheiratet ist.
An Ostern gern auch zum Frühstück
Und warum nicht – oder auch: Worüber sonst sich unterhalten mit den Trumps? Hatte sich der Präsident nicht bei seinem Besuch des chinesischen Staatsoberhaupts so sehr in den Genuss eines Schokoladenkuchens vertieft, dass er darüber vergessen hatte, welches Land er gerade hatte bombardieren lassen? (Es war Syrien.)
In seinen Ursprüngen ist die Potica ein friedliches Gebäck, mit dem die Slowenen in der Regel schöne (Kindheits-)Erinnnerungen verbinden. Der meist mit einer Mischung aus Walnüssen und Honig gefüllte Hefekuchen wird eigentlich an Feiertagen serviert, meist zusammen mit einer Tasse Kaffee nach dem Festmahl. An Ostern, dem ursprünglichsten Potica-Feiertag, gern auch zum Frühstück.
Von Rot-Rot-Grün träumt die linke SPD-Politikerin Angela Marquardt. Hugo Müller-Vogg ist ein konservativer Publizist, den das gruselt. Dennoch verbindet beide eine fast 20-jährige Freundschaft. In der taz.am wochenende vom 17./18. Juni reden sie über die Freude am Streit und die gemeinsame Liebe zur „Lindenstraße“. Außerdem: Genau eine Bernsteinfischerin gibt es in Deutschland. Ein Besuch auf Rügen. Und: Nestlé verändert die Rezeptur von Maggi. Ein Rundgang durch die Welt der Geschmacksverstärker und Würzsoßen. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Längst gibt es auch andere Varianten des Kuchens, dessen Existenz in der Region bis zum Mittelalter nachzuweisen ist. Über achtzig verschiedene Füllungen sind bekannt, mit Maronen oder Rosinen, Schokolade, Mohn oder Mandeln kann man die Rolle füllen, aber auch mit Salzigem: Ob Grieben, Krainer Wurst oder Speck, das Ergebnis ist deftig und wohlschmeckend, besonders in Kombination mit einem der hervorragenden slowenischen Weine.
„Dann sollen sie eben Potica essen“
Besonders pikant und bei erstmaligem Genuss ungewohnt ist die Variante mit Estragon. Sie wurde, neben anderen, gereicht, als die Botschafterin Sloweniens in Deutschland, Marta Kos Marko, jüngst Journalisten in die Räume der Botschaft in Berlin einlud. Dreierlei Potica und Kaffee gab es aus Anlass der Buchvorstellung „Poticas aus Slowenien“. Ein Backbuch das nun in deutscher Übersetzung beim Rokus-Klett Verlag erschienen ist, versehen mit einem ausführlichen Text des Ethnologen Janez Bogataj, der einen Überblick über Geschichte und Provenienz der Backware aus der kulturell vielfältigen Region gibt.
Nicht verifiziert werden kann dabei die Legende, dass Marie Antoinette die Potica nach Paris gebracht hat – weshalb der historisch fragwürdige Ausspruch „Dann sollen sie eben Kuchen essen“ in Slowenien in der Variante „Dann sollen sie eben Potica essen“ wiedergegeben wird.
Ein hübsches Detail der Potica-Fama wird auf Seite 37 enthüllt: Das US-Familienunternehmen Rocky Mountain Potica, abgeleitet von einem slowenischstämmigen Herrn namens Nick Carmody-Gornik, bietet ein Produkt namens „Obama Presidential Potica“ an. It’s true.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert