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Potenzielle Waffenempfänger in SyrienMarkenname FSA

Wenn EU-Länder Waffen an Assad-Gegner liefern – wer könnte sie erhalten? Am ehesten kommt wohl die Freie Syrische Armee in Frage.

Es gibt im ganzen Land zahlreiche bewaffnete Gruppen, die sich als Mitglieder der FSA bezeichnen. Bild: reuters

BERLIN taz | Das größte syrische Oppositionsbündnis, die Nationale Koalition, hat die Entscheidung der EU, das Waffenembargo aufzuheben, begrüßt – allerdings verbunden mit einer gewissen Skepsis. „Es ist definitiv ein positiver Schritt, aber wir fürchten, dass er zu klein ist und zu spät kommt“, sagte der Sprecher der Koalition, Luay Safi.

Der Sprecher der Freien Syrischen Armee (FSA), Luay al-Mekdad, kritisierte: „Wenn die internationale Gemeinschaft noch drei Monate mit der Bewaffnung der Rebellen wartet, hat das Regime noch mehr Zeit, Menschen zu töten. Jede Verzögerung wird noch mehr Menschenleben kosten.“

Für EU-Staaten, die nun erwägen, Waffen zu liefern, ohne dass sie in die Hände von Dschihadisten fallen, wäre die Koalition beziehungsweise die FSA vermutlich der naheliegende Ansprechpartner. Immerhin hat sich die FSA am 7. Dezember vergangenen Jahres ein neues, dreißigköpfiges Führungsgremium gegeben, das Oberste Militärkommando. Zu seinen Mitgliedern zählen zahlreiche Kommandanten bekannter Brigaden aus ganz Syrien; seine Rolle ist bislang eher koordinierend und daher mit der Führung einer regulären Armee nicht zu vergleichen.

Das liegt auch daran, dass „seine Autorität auf der Macht und dem Einfluss dieser Rebellenführer basiert“, wie Elizabeth O’Bagy vom Institute for The Study of War in einem Bericht über die FSA schreibt. Ein anderer, entscheidender Faktor für das Ansehen des Militärkommandos sei, ob es der Führung gelingt, einen relevanten Teil des Nachschubs von Geld bis zu Waffen zu bündeln und an die einzelnen Brigaden im Land zu verteilen.

„FSA“ ist zu einer Art Markenname geworden

Wenn man nun Studien internationaler Institute, die sich mit bewaffneten Gruppen in Syrien beschäftigen, zugrunde legt, wird das Bild an dieser Stelle einigermaßen komplex. Es gibt im ganzen Land zahlreiche bewaffnete Gruppen, die sich als Mitglieder der FSA bezeichnen, doch nicht alle von ihnen stehen in einem regelmäßigen Kontakt mit ihr.

„FSA“ ist zu einer Art Markenname geworden, der sich eher auf den bewaffneten Teil der Opposition im Allgemeinen bezieht. Diese Gruppen sind meist lokal organisiert, in ihrem Dorf oder in ihrer Stadt. Ihre jeweilige Ausrichtung – liberal oder traditionell – reflektiert die Zusammensetzung der städtischen oder ländlichen Bevölkerung. Hinzu kommt, dass sich auf lokaler Ebene Gruppen auflösen, neu gründen und neue Bündnisse eingehen.

Daneben gibt es die sogenannten freien Gruppen, die häufig eher ideologisch ausgerichtet sind. Die größeren unter ihnen operieren in verschiedenen Provinzen und in der Regel unabhängig von der FSA. Anders als ihre Vorgängerorganisationen bemüht sich die FSA allerdings, auch Kommandanten solcher Brigaden in ihre Strukturen mit einzubeziehen. Dazu gehören beispielsweise drei von siebzehn Organisationen, die in der gemäßigt islamischen Syrischen Befreiungsfront zusammengeschlossen sind: Suqour al-Sham aus der Provinz Hama, das Faruk-Bataillon aus Homs sowie die Tauhid-Brigade aus Aleppo.

Aus der salafistisch orientierten Syrischen Islamischen Front sind Ahrar al-Sham, die landesweit operiert, und Liwa al-Haq aus der Provinz Homs mit im Militärkommando der FSA. Die noch radikalere, dschihadistische Nusra-Front ist im Militärkommando nicht vertreten.

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9 Kommentare

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  • S
    sozialinternational

    Warum kann der Westen nicht einmal die sozialistischen / linken / sekularen Kräfte in Syrien unterstützen? Es gibt in Syrien eine grosse Gruppierung von 10 sozialistischen bzw. kommunistischen Parteien, die in der National-Progressiven Front vereint sind.

     

    Stattdessen werden religiöse ultrakonservative unterstützt. Es ist schon traurig.

  • M
    martin

    Bleibt zu hoffen, dass die europäischen Staaten sich doch noch durchringen können das Waffenembargo weiter zu verlängern. Erwiesenermaßen sorgen Waffenlieferungen eben nicht für Frieden und weniger Kriegsopfer.

    Jene Politiker in Europa die an das Märchen vom Frieden durch Waffenlieferungen glauben, sollten sich ernsthaft untersuchen lassen.

  • KS
    Kritische Stimme

    Das Resultat der bruessler Syrienkonferenz wird viele Europaeer die Augen geoeffnet haben.Zwei EU-Laender planten und wollen Krieg(UK+Frankreich),die 25 restlichen nicht .Bis jetzt hatten die Krieger gedacht mit Ausbildung von syrischen Aufstaendischen,Waffenlieferungen ueber arabische Verbuendete,Zufluchtsgebiete fuer syrische Rebellen in benachbarten Laendern,geheime Operationen von Geheimagenten und genuegend Finanzmittel,das Regiem stuerzen zu koennen.Politisch gab man vor Freiheitskaempfer zu unterstuetzen gegen einen abscheulichen Diktator,die europaeische Presse wurde manipuliert,und man versuchte alles geheim zu halten oder zu leuchnen.Von Anfang an waren die USA+Israel aktiv dabei.Leider ist der Krieg nicht so gelaufen wie geplant und jetzt wird versucht die Nato zu aktivieren,direkte Waffenlieferungen aus Frankreich+UK,Giftgaseinsatz zu beweisen um die Nato zu zwingen oder Flugverbote ueber Syrien zu verordnen.Das USA+UK+Israel+2 EU-Krieger bis jetzt 100.000 Tote,200.000 Verwundete,1 mio Fluechtlinge auf ihrem Gewissen haben,interessiert sie nicht.Von der USA ist man das gewohnt,Israel hat strategische Ziele,Frankreich ist Altkolonisator von Syrien,und UK macht alles was die USA machen

  • G
    Gonzi

    Es lässt sich ja alles regeln.

     

    Wer gelieferte Waffen an Unbefugte weitergibt, wird mit Liebesentzug nicht unter zwei Stunden betraft.

     

    Den Befugtenstatus erwirbt man zuvor nach Ableistung diverser verbal geäußerter Huldigungen, deren genauen Wortlaut man sich in London und Paris noch ausdenken und den Aktualitäten jeweils anpassen wird.

  • N
    Nomdeguerre

    Werden an die FSA konkrete Forderungen im Gegenzug zur Waffenauslieferung gestellt?

     

    In erster Linie sollten dies MENSCHENRECHTLICHE sein.

     

    Zum Beispiel könnte man die Gleichberechtigung der Frau in deren Reihen anprangern und sie zwingen sich in solch Hinsicht zu besseren, wenn der Spuck vorbei ist. Das Wort Vertrag möge angebracht sein.

     

    So würde bewerkstelligt, dass die nächste Regierung mehr und mehr Menschenrechte gewährt und die EU bzw. UN die Hand darüber hält.

  • NW
    NO WAR

    Markenname FSA:

     

    Die Söldner der »Freien Syrischen Armee« (FSA) intensivieren ihre Angriffe auf kurdische Selbstverwaltungsstrukturen in Syrien. Wie am Montag abend bekannt wurde, verschleppten FSA-Banden mittlerweile mehr als 700 kurdische Zivilisten auf der Strecke zwischen den Städten Aleppo und Afrin. Das meldeten die kurdischen Nachrichtenagenturen Hawarnews (ANHA) und Firat News unter Berufung auf eine FSA-nahe Quelle. Die Gefangenen würden in Marei, einem von der dschihadistischen Al-Tevhid-Brigade der FSA kontrollierten Vorort von Aleppo, festgehalten. Im Keller eines Gebäudes seien sie Folter ausgesetzt und erhielten kaum Nahrung und Wasser. Die FSA »beschlagnahme« die Fahrzeuge der Verschleppten. Außerdem würden kurdische Händler an der Fahrt nach Afrin gehindert.

     

    https://de-de.facebook.com/Syr.A.D.W

  • NW
    NO WAR

    "Die FSA freie syrische armee ist ein Markenname". Aus Rache für die Niederlagen werden im Augenblick vermehrt christliche Gemeinden angegriffen. Warum die Islamofaschisten glauben an Andergläugige oder Andersdenkende Rache üben zu müssen entzieht sich meinem Denkvermögen.

     

    Es wird von einem weiteren Massaker der FSA an Christen in Homs berichtet, ich habe noch keine Informationen, diese kommen erst heute Nacht.

     

    Wer diese fake revolution verstehen will, sollte sich mit dem Dienstleistungunternehmen bei dem man diese Revolutionen bestellen kann, beschäftigen.

    http://en.wikipedia.org/wiki/Centre_for_Applied_Non_Violent_Actions_and_Strategies

     

    und wer den Mechanismus verstehen will, wie durchaus berechtigte Aufstände umgeleitet werden in die Hände von Al Kaida, Al Nusra und Geheimdienst, der sollte 30 Minuten investieren für die Reportage mit William Engdahl.

    http://m.youtube.com/#/watch?v=5ifKyciJMcc&desktop_uri=%2Fwatch%3Fv%3D5ifKyciJMcc

     

    Den Menschen wird sogar die Revolution gestohlen.

  • D
    D.J.

    Danke für den informativen Beitrag. Bei aller Kritik gehört die taz immer noch zu den Zeitungen, die aus aller medialen Dummheit in der Sache zuweilen positiv auffällt.

    Zur Sache: Das Argument ist ja derzeit, dass man ein Gleichgewicht auch unter den Ausfständischen herstellen müsse, da die Religionsfaschisten von der an-Nusra-Front ohnehin von Saudi-Arabien und Qatar unterstützt würden.

    Aber wäre der erste Schritt nicht eher, SA und Qatar endlich als terrorunterstützende Staaten zu brandmarken und zu boykottieren?

    Ich weiß, ein naiver Traum. Heuchelt nur weiter von Menschenrechten, ihr Camerons, Hollandes und deren Spießgesellen in den Medien.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Hahaha, am Montag mäkelt die taz weil H&K Waffen exportieren darf. Am Dienstag wird dann verzweifelt nach einem Empfänger für Waffenlieferungen gesucht.

     

    Das ist schon ärgerlich, wenn die bigotte Schein-Heiligkeit keine 24 Stunden hält.