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„Potentielle Todeskandidaten“

■ Zum ersten Mal sollen pakistanische Ahmadiyya-Flüchtlinge abgeschoben werden / Gruppenverfolgung noch immer nicht anerkannt Von Silke Mertins

„Jeder Ahmadiyya ist in Pakistan ein potentieller Todeskandidat“, faßte der Schriftsteller Hadayatullah Hübsch die Situation der reformistisch-moslemischen Glaubensgemeinschaft „Ahmadiyya“ gestern auf einer Pressekonferenz zusammen. Doch trotz Pogromen, Attentaten und staatlicher Verfolgung will Hamburg nun zum ersten Mal eine Ahmadiyya-Familie abschieben: Sahamin Akhtar und ihre fünf Kinder zwischen fünf und 17 Jahren.

Obwohl der Asylantrag ihres Mannes noch läuft und eine Entscheidung, ob bei den pakistanischen Ahmadiyya Gruppenverfolgung vorliege, beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist, wurde das Datum der Abschiebung jetzt auf den 24. August festgelegt. Grund: Formfehler ihres Anwalts.

Zu allem Überfluß schlug auch der Versuch fehl, über den Petitionsausschuß der Bürgerschaft eine Duldung bis zum Abschluß des Asylverfahrens der Familie zu erreichen. Denn die für die Familie zuständige Abgeordnete Rotraut Meyer-Verheyen konnte an der Ausschußsitzung nicht teilnehmen, da ihre Statt Partei mit dem Austritt von Markus Wegner und Klaus Scheelhaase den Fraktionsstatus verloren hatten. So wurde die Bestätigung eines Arbeitgebers, den Familienvater beschäftigen zu wollen, dem Ausschuß nicht vorgelegt.

Die siebenköpfige Familie gehört zu den 400 bis 500 Ahmadiyyas in Hamburg, deren Asylverfahren noch nicht entschieden wurden. „80 Prozent dieser Familien sind schon über zehn Jahre hier“, so Vijoy Batra von der Zentralen Beratungsstelle für Asylbewerber der Arbeiterwohlfahrt. Da es keine verbindliche Rechtssprechung gebe, würden die Verwaltungsgerichte regional sehr unterschiedlich entscheiden.

„Die Altfallregelung ist ein Indiz dafür, daß die Bundesregierung die Ahmadiyyas als gruppenverfolgt ansieht“, so Batra. Danach können die von islamischen Fundamentalisten verfolgten Ahmadiyyas Aufenthalt bekommen, sofern sie eine Arbeit nachweisen. „Aber das ist ohne geregelten Aufenthaltsstatus sehr schwierig“, so Batras. Der Teufelskreis – keine Arbeit, kein Aufenthalt und umgekehrt – müsse durchbrochen werden. Obwohl Arbeit als Voraussetzung für Bleiberecht in Hamburg zuweilen bizarr wirkt: Der 75jährige Ghulam Ah-mad Khawaja – ebenfalls Ahmadiyya-Gemeindemitglied – ist von Abschiebung bedroht, weil er keinen Arbeitsplatz nachweisen kann. Seine vier Söhne und ihre Familien leben hier und sind anerkannte Flüchtlinge.

Seit der konkrete Termin für die erste Abschiebung von Sahmim Akhtar und ihren fünf Kindern feststeht, geht die Angst in der Hamburger Ahmadiyya-Gemeinde um. Zuhause in Pakistan gilt die Glaubensgemeinschaft, die den „Heiligen Krieg“ aus pazifistischen Gründen ablehnt, als blasphemisch. Allein im vergangenen Jahr wurden 2 432 Ahmadiyyas angeklagt, weil sie sich „wie Moslems verhalten haben“. Dies gilt als Gotteslästerung, auf die „in Pakistan ganz offiziell die Todesstrafe steht“, so der Schriftsteller Hübsch. Denn Ahmadiyyas dürfen sich nicht als Moslems bezeichnen, dem islamischen Friedensgruß „Assalamo Aleikum“ nicht verwenden oder sich öffentlich zu ihrem Glauben bekennen. „Denunziationen sind Tür und Tor geöffnet“, so Hübsch.

Die Ahmadiyyas hoffen deshalb auf ein Grundsatzurteil, daß sie als politisch verfolgte Gruppe anerkennt. Bis dahin will der Kirchenkreis Stormarn der von Abschiebung bedrohten Hamburger Ahmadiyya-Familie helfen: Er bot Mutter und Kindern Kirchenasyl an.

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