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Postkolonialismus und WissenschaftBlack Studies ohne Schwarze?

Nach Kritik löst sich die Forschungsgruppe „Black Knowledges“ an der Uni Bremen auf. Black Studies bleiben an deutschen Hochschulen eine Leerstelle.

Ein offener Brief, den auch Angela Davis unterstützt: „‚Black Studies‘ sind nicht nur ein akademisches, sondern auch ein politisches Projekt.“ Bild: dpa

BREMEN taz | Dass an einer Forschungsgruppe, die den Titel „Black Knowledges“ trägt, auch schwarze Wissenschaftlerinnen und Forscher beteiligt sein sollten, erscheint naheliegend. An der Uni Bremen war das allerdings nicht der Fall. Weil deshalb scharfe Kritik laut wurde, hat sich die Forschungsgruppe Anfang Februar kurzerhand aufgelöst.

Ein – mittlerweile gescheiterter – Projektantrag der Forschungsgruppe, mit dem eine Professur sowie Stellen für wissenschaftlichen Nachwuchs finanziert werden sollten, sorgte für Empörung. Eine Gruppe von überwiegend afrodeutschen Persönlichkeiten aber auch von US-amerikanischen ForscherInnen, darunter die Magdeburger Erziehungswissenschaftlerin Maureen Maisha Eggers, verfassten einen offenen Brief, den auch die US-Bürgerrechtsikone Angela Davis unterzeichnete. In den USA seien „Black Studies“ ursprünglich nicht nur als akademisches, sondern auch als ein politisches Projekt gestartet worden, schreiben sie.

Dort gingen „Black Studies“ mit einer Einstellungspraxis einher, die der Benachteiligung von Schwarzen im US-amerikanischen Universitätssystem Rechnung trage. Es sei deshalb ein Skandal, dass die Gruppe, die das Forschungsprojekt mit dem Titel „New Black Diaspora Studies“ geplant hatte, ausschließlich aus Weißen bestünde. Schwarze Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würden in dem Projektantrag dagegen nur erwähnt, um dem Projekt Legitimation zu verleihen.

Schon im Sommer 2014 hatte es Kritik an der Zusammensetzung der damals noch als „Bremen Black Studies“ arbeitenden Gruppe gegeben. Diese unterstrich daraufhin in einem Statement ihre Freiwilligkeit, ihren „nichtinstitutionellen Charakter“ und ihren selbstkritischen Anspruch. Auf den offenen Brief reagierte die Forschungsgruppe, indem sie ihre Auflösung bekanntgab. „Wir akzeptieren diese Kritik“, heißt es in der Erklärung.

Marginalisierung in der Wissenschaft

Der Gruppe sei bewusst geworden, dass sie in ihrer bisherigen Form „eher ein Teil des Problems des Rassismus ist statt ein Teil seiner Lösung“, schreiben ihre Mitglieder und fordern die Universität Bremen auf, „effektive Maßnahmen zur Schaffung von ausdrücklich antirassistischer Diversität“ zu ergreifen. Außerdem solle darüber eine öffentliche Debatte geführt werden. Gegenüber der taz wollten die Beteiligten aber keine Stellung nehmen.

Die Professorin Sabine Broeck lädt das Netzwerk in einem offenen Brief zur gemeinsamen Organisation einer Diskussionsveranstaltung ein. Yasemin Karakaşoğlu, Konrektorin für Interkulturalität und Internationalität, hat für nächstes Semester ebenfalls Veranstaltungen geplant.

Peggy Piesche, Wissenschaftlerin an der Academy of Advanced African Studies an der Universität Bayreuth und Aktivistin bei Adefra, findet das unbefriedigend. Das selbstkritische Eingeständnis sei zwar eine „angenehme und mutige menschliche Geste“. Dennoch sei die ganze Angelegenheit eine „institutionelle Farce“. Es gebe schon länger Kritik an der Aneignung schwarzen Wissens, während gleichzeitig schwarze Forscherinnen und Forscher marginalisiert würden – für Piesche ein Zeichen für „die Schwierigkeit, uns als Subjekte wahrzunehmen“.

Tahir Della, der Vorsitzende der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), sieht das ähnlich. Er hätte von den Verantwortlichen der Uni erwartet, so auf die Kritik zu reagieren, „dass erkennbar wird, dass sie sich damit auseinandersetzen“. Doch so liefen die Forderung nach Transparenz und institutionellen Veränderungen ins Leere. Denn einen Studiengang oder einen Lehrstuhl für „Black Studies“ gibt es an deutschen Hochschulen bislang nicht.

„Es wäre unbedingt wünschenswert, dass sich das ändert“, findet Della. „Denn sonst müssen alle, die auf diesem Gebiet arbeiten, weiterhin in die USA ausweichen.“ Selbstverständlich könnten auch Weiße „Black Studies“ betreiben, aber eben nicht, losgelöst von den politischen Kämpfen um Rassismus, „wie ein x-beliebiges Fach“, meint Della.

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6 Kommentare

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  • @Hessebub: Danke für das hohe Maß an "Schwarz" und "Weiß" denken. Den KKK mit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung zu vergleichen ist einfach nur ein Schlag gegen jegliche Vernunft. Oder so gesehen, entspricht es der Vernunft "lupenreiner Demokraten"...schade, dass die der Wirtschaft am nächsten, denn dadurch werden sie sich nie selbst zerlegen...

  • Lieber Georg,

     

    der Gedanke liegt erstmal nahe und ich fände eine Diskussion darüber auch gut. Allerdings gibt es dann doch gewisse Einwände, weshalb es eben nicht ausreicht zu sagen, dass man über die Hautfarbe hinaus gehen müsse:

     

    1. Erleben Menschen, die keine weiße Hautfarbe haben, tagtäglich rassistische Anfeindungen (in Deutschland und überall). Es fängt bei "ganz kleinen" verallgemeinerten Bemerkungen ("Oh, ich finde schwarze Babies so niedlich";"Die Menschen in Afrika haben es aber auch nicht leicht") im Alltag an und hört bei scharfen Diskriminierungen und Körperverletzungen noch lange nicht auf. Deshalb kann man

     

    2. nicht in der Utopie verharren, da jede Person ein gewisses Maß an strukturellem Rassismus in sich trägt, ohne sich diesen immer groß bewusst zu machen. Mir ist z.B. an mir aufgefallen, dass ich schwarze Menschen immer anders und offener begrüße als weiße. Das ist ja nicht böse gemeint, aber zeigt auch die Exotisierung, die in meinem Kopf noch vorherrscht. Daraus resultiert, dass

     

    3. die Erfahrungen, die nicht-weiße (Deutsche) machen, niemals die gleichen sein werden, wie weiße (Deutsche), wenn es um Diskriminierung etc. geht. Deshalb ist es auch notwendig genau die Perspektiven von schwarzen Menschen immer mit einzubinden, da sie am eigenen Leib erfahren, wie in einer weiß-dominierten Gesellschaft mit "Abweichung" umgegangen wird.

     

    4. Diese Thematik wäre z.B. auf die Geschlechterfrage übertragbar. Denn, wenn wir theoretisch das Geschlecht "nicht mehr sehen" würden, wären Fragen nach Mindestlohn, Geschlechtergerechtigkeit etc. obsolet. Da aber auch Sexismus alltäglich ist und Geschlecht immer und immer wieder eine Rolle spielt im Umgang miteinander oder eben auch, wenn es um Berufsperspektiven geht, können wir nicht in der Utopie verharren, obwohl sie natürlich nie vergessen werden sollte ;-)

  • Ja, auf den ersten Blick kann ich die Einwände voll verstehen. Überlegt man dann aber kurz, dann stellen sich einem ein paar Fragen. Natürlich ist es irgendwie anmaßend sich über Leute gewisse Forschungen und Urteile zu erlauben ohne selbst diese zu beteiligen. Andererseits, wenn man das Thema "Rassismus" ernst nimmt, dann liegt es einem doch nahe, eben selber nicht rassistisch zu sein. Folglich versucht man "rassistische Merkmale" wie die Hautfarbe auszublenden (so mache ich das zumindest). Demzufolge, will man bspw. bei der Einstellungspraxis eben auch nicht rassistisch sein, dann darf man dort ebenfalls nicht auf die Hautfarbe achten.

     

    Es stellt sich also die Frage: was wurde falsch gemacht, bzw. wo liegt mein Denkfehler?

    • @Georg S.:

      Georg, darauf ein Zitat:

      "Farbenblinder Rassismus erlaubt es Weißen, nichtrassistisch zu erscheinen („Ich glaube an die Gleichheit“), ihren privilegierten Status zu erhalten („Diskriminierung endete in den Sechzigern!“), Schwarzen die Schuld für ihren niedrigeren Status zu geben („Wenn ihr nur hart genug arbeitet!“) und jeden institutionellen Ansatz - wie affirmative Maßnahmen - zu kritisieren, der Ungleichheit zwischen ethnischen Gruppen verringern soll („Umgekehrte Diskriminierung!“)" (Bonilla-Silva und Forman, 2000)

       

      Um zu verstehen, worum es da geht, lohnt sich auch ein Blick in den Sammelband 'Mythen, Masken und Subjekte'. Das Vorwort, in dem es auch um Farbenblindheit geht, ist online verfügbar.

    • @Georg S.:

      Ganz einfach: Wenn eine vorgeblich anti-rassistisches Organisation ihre Stellen nur mit Weißen besetzt und damit die gleichen Ergebnisse produziert wie eine rassistische, wo ist dann der Unterschied?

       

      Ein Forschungsprojekt zu Genderstudies ohne Frauenanteil würde auch niemand akzeptieren.

    • @Georg S.:

      Das kann und muss man aber auch weiterdenken finde ich. Natürlich sollten Stellen nicht nach Hautfarbe vergeben werden, auch wenn das wahrscheinlich noch viel häufiger geschieht als man denkt. Aber nicht-rassistisches Handeln bedeutet für mich zB. nicht unbedingt das Ausblenden der Hautfarbe. Im Gegenteil, ich glaube dass dieses Ausblenden eher zu Rassismus beiträgt weil damit die besonderen Dinge mit denen Menschen mit anderen Hautfarben tagtäglich zu kämpfen haben ja auch ausgeblendet werden. Und genau um den Punkt geht es ja auch in Black Studies, Postolonialismus etc. - dass eben die Perspektiven und Stimmen von schwarzen Menschen gesehen und gehört werden. Ich als weiße Deutsche kann da vielleicht Empathie und Solidarität haben, aber ich habe nie erleben müssen wie das ist, wenn man wegen seiner Hautfarbe dumm angemacht wird oder wie das ist, als in Berlin geborene und aufgewachsene schwarze Frau regelmäßig gefragt wird wo man denn 'wirklich' herkommt. Dazu bedarf es der Wahrnehmung und Stimme von Leuten die wissen wie das ist und mehr. Und ich stimme da voll Tahir Della zu: das ist kein Thema was man losgelöst von den politischen Kämpfen um Rassismus erforschen kann, auch, oder gerade nicht hier in Deutschland.

       

      Es ist schade dass es hier so wenige oder wenig sichtbare kritische Platformen und Stimmen zu dem Thema gibt. Aber anstatt eine komplett weiße Forschungsgruppe zu gründen die sich 'Black Knowledges' - geformt und weiterentwickelt von Leuten die dafür wirklich kämpfen mussten - aneignet, wäre es vielleicht eine Idee Stipendien an 'Academics of Colour' aus Deutschland zu vergeben die sich mit dem Thema aus einer deutschen und nicht amerikanischen Perspektive auseinandersetzen.