„Postillon“-Bericht über Pofalla: Satireseite verbreitet Wahrheiten
Mit der Meldung über den Wechsel Pofallas zur Bahn gelang dem „Postillon“ ein Scoop. Denn im Gegensatz zu sonst war die Nachricht keine Satire.
BERLIN taz | Satire und Realität sind einander manchmal zu nah, um wahr oder besser: unwahr zu sein. Es war einer dieser Meldungen, die wie ein Sturm über die hiesige Medienlandschaft hinwegfegten. Kurz nachdem die Saarbrücker Zeitung am Donnerstag um 13.56 Uhr den beruflichen Wechsel des Ex-Kanzleramtchefs Pofalla vor allen anderen meldete, wurde die Nachricht von der Nachrichtenagentur dpa bestätigt. Weitere Zeitungen, darunter auch die taz, zogen nach, obwohl die Quelle zu diesem Zeitpunk noch nicht bekannt war.
Am Nachmittag veröffentlichte das Satiremagazin Postillon, das bekannt dafür ist, gefakte Nachrichten real aussehen zu lassen, dann einen Artikel, in dem es hieß: „Wie der Postillon am Mittwochmorgen erfuhr, wechselt der CDU-Politiker und frühere Kanzleramtsminister Ronald Pofalla in den Vorstand der Deutschen Bahn“.
Später folgte das Update: „Inzwischen berichten auch zahlreiche andere Medien.“ Der vom Magazin einen Tag zurückdatierte Artikel erweckte damit den Anschein, als hätten sich alle anderen Zeitungen täuschen lassen – mit der Konsequenz, dass plötzlich alle am Wahrheitsgehalt der Meldung zweifelten.
Der Verwirrung folgte die Entrüstung. Die Postillon-Leser, von denen nicht wenige eifrig twittern, fühlten sich zur journalistisch-ethischen Aufklärung berufen. „Eine Ohrfeige für den so genannten Qualitätsjournalismus“ twitterte einer, während andere den allgemeinen Verfall der deutschen Medien witterten. Auch prominente Twitterer schalteten sich ein. Jan Böhmermann schrieb noch am Donnerstagabend: „Gratulation an Ronald Pofalla. Und stehende Ovationen für @Der_Postillon. Willkommen im Internet: @SPIEGELONLINE. Gibt's Entlassungen?“
Die Webseite des Magazins wurde ebenfalls mit Kommentaren überflutet: „Endlich erfindet nicht nur die Bild eine Schlagzeile und alle übernehmen sie!", heißt es da. Ein anderer ist aufgrund der vermeintlichen Absurdität der Nachricht überzeugt: „Hahaha der war gut Postillon. Verzeihung, aber diesmal war die Fake-Nachricht etwas zuuu auffällig. Ich meine wie offensichtlich kann eine Fake-Nachricht eigentlich sein. Was kommt als nächstes?“
Alle hinters Licht geführt
Selbst Spiegel online geriet ins Zweifeln, wie eine auf der Postillon-Facebookseite veröffentlichte Email einer Redakteurin an das Magazin zeigt: „(...) könnten Sie mich bitte einmal unter der Nummer 040 xxx oder 0xxx-xxx zurückrufen. Es geht um Ihre Pofalla-Meldung von gestern. Herzliche Grüße xxx Redaktion Kultur SPIEGEL ONLINE“.
Als sich herausstellte, dass die Nachricht kein üblicher Fake, sondern wahr ist, war der Satire-Scoop perfekt. Mit der zurückdatierten Meldung hält der Postillon, dem Anspruch einer guten Satire gerecht werdend, der Gesellschaft einen Spiegel vor. Denn er führte er seine eigenen Leser, aber auch alle anderen hinters Licht.
Dass heute viele anscheinend eher den vermeintlich unwahren Wahrheiten einer Satirezeitung als den Fakten „objektiver" Medien vertrauen, erzählt generell nicht nur vom gestiegenen Misstrauen gegenüber der Politik und den hiesigen Leitmedien, sondern auch von der Macht der allgegenwärtigen Ironie, die immer auch eine angenehme Distanz zur Wirklichkeit verspricht.
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