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Post aus der Moderne

Sainte-Mayme, Distrikt Perigeux, 9.März. An den Präsidenten des Nationalkonvents.

Bürger Präsident! Ich habe immer zugestimmt, daß es besser ist, sich an Gott selber statt an seine Apostel zu wenden. Aus eben diesem Grunde richte ich meine Beschwerden an Dich. Ich bin ein armer Mann, aber ich bilde mir ein, zu den Rechtschaffenen zu zählen. Entschuldige, daß ich mich nicht gut ausdrücke, doch ich kann es nicht besser. Während der Herrschaft der Könige wagte es der

Arme nie, seiner Stimme

bei Hofe Gehör zu ver

schaffen, weil er sich für

zu gering hielt, um ange

hört zu werden. Gegen

wärtig sind wir alle

gleich; der arme Teufel

in Lumpen mit seiner

Mütze auf dem Ohr kann

sich im Konvent ebenso

gut Gehör verschaffen

wie der Reiche in borten

besetztem Kleid und Bi

berfellmütze. Wie liebe

ich dich, entzückende

Gleichheit!

Als ich vor einiger Zeit

den Sitzungen meines Gemeinderates beiwohnte, zu denen ich mich oft begebe, um dort die Wohltaten des Konvents zu überdenken, bekam ich mit, daß ein Gesetz verlesen wurde, das jedem besitzlosen Bürger zusagte, etwas von den Emigrantengütern bei zwanzigjähriger Abzahlung als Eigentum zu bekommen. Gleich ließ ich mich auf der für diesen Zweck in meiner Gemeinde ausgelegten Liste einschreiben, das Gesetz wurde aber nicht ausgeführt, weiß der Teufel warum. Es ist etwas im Busch. Ich bitte Dich, Bürger Präsident, vernachlässige diese Angelegenheit nicht; laß dieses Gesetz durchführen!

Es lebe die Republik, zum Teufel mit den Emigranten, den Feinden des Volkes!

Ruhm und Gruß dem Konvent, Jean Chancroux, Hanfhechler. 18.VENTOSE

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