Posse vor Gericht: Der Duft der Gefahr

Die Bremer Polizei durchsucht ein Privathaus in Abwesenheit des Besitzers - wegen vermeintlichen Cannabisgeruchs. Der Besitzer klagte und jetzt wurde vor dem Amtsgericht verhandelt.

Post von der Polizei: Diesen Zettel fand F. nach der Durchsuchung. Bild: Privat

BREMEN taz | Der Herr F. ist ein fideler Rentner, der noch immer gern Blaumann trägt. Als Hobbykoch hat er einmal einen Bohnen-Eintopf erfunden, bei dem Kochwürste eine Hauptrolle spielen. Mit seiner Lebensgefährtin wohnt er seit Jahren auf einem Boot, das mal hier, mal da an der Weser liegt. Sein Einfamilienhaus in Bremen-Walle will er schon länger verkaufen. Meist steht’s leer.

Indes, im vergangenen Sommer, genau genommen am 12. August 2011 gegen 14.15 Uhr, war die Immobilie in einer ruhigen Straße des Bremer Kleine-Leute-Stadtteils Polizeibeamten des Einsatzdienstes Mitte-West plötzlich im Vorbeifahren aufgefallen und bedrohlich erschienen: „Weil“, so heißt es in einer Stellungnahme des polizeilichen Justiziariats, das Haus „gegen Einblicke von außen abgeschirmt worden war“, nämlich: Die Vorhänge waren zu. Auch sei es mit Alarmanlage gesichert gewesen und mit einer Kamera. Und „überdies“, so der Polizeibericht, „war ein deutlicher Marihuana-Geruch wahrnehmbar.“

Da ist Gefahr im Verzug!, entschied die Staatsanwaltschaftschaft. Sie erlaubte den Polizisten, das Schloss zu zertrümmern, um dann mit einem herbeigekarrten Drogenspürhund durch die menschenleeren Räume zu spazieren. Sie fanden dort – nix. Uwe F. vermutet: Etwas anderes hatten die Polizisten auch gar nicht erwartet. Bloß liegt er mit ein paar Leuten von der Waller Wache überkreuz. Uwe F. vermutet: Es war pure Schikane. Deshalb hatte er jetzt geklagt. Am Donnerstag war die Verhandlung.

Vors Amtsgericht war Uwe F. gezogen, und damit im Grunde vor dem falschen Richter. Ja, eine kleine Genugtuung hat er gestern erstritten, 120 Euro muss die Polizei ihm zahlen, fürs zerdepperte Schloss. Denn der unsachgemäß im Anschluss an die Stürmung eingebaute Ersatz-Zylinder, den fand auch der Vorsitzende nicht überzeugend.

Ein klassischer Vergleich, ganz materiell – für den F. seinen Kampf ums Prinzip aufgeben muss, für Gerechtigkeit und gegen die Willkür. Denn feststellen, dass die Hausdurchsuchung widerrechtlich war, darf der Amtsrichter nicht, „da wäre das Landgericht zuständig“. Und da herrscht Anwaltspflicht. Und der Herr F. lässt sich zwar ungern schikanieren und kämpft für sein Recht. Aber reich ist er nicht.

Zuerst hatte er die Bremer Staatsanwaltschaft angezeigt. Aber die hatte keine Lust, gegen die Bremer Staatsanwaltschaft zu ermitteln. Er lehne das ab, eröffnet ihm Staatsanwalt Uwe L. in einem offenkundig rechtsfehlerhaften Bescheid. Er stützt sich darin zur Legitimation der wilden Hausdurchsuchung auf die falschen Paragrafen der Strafprozessordnung – auf 102, der die Untersuchung bei dem regelt, der „als Täter oder Teilnehmer einer Straftat verdächtig ist“, was Uwe F. zu keinem Zeitpunkt war. Und als sachlichen Grund für die Intervention benennt der Behördenvertreter die Vermutung, man sei „der Herstellung von Cannabis in nicht geringer Menge“ auf der Spur gewesen, sprich: Im Haus hätte es eine Hasch-Pflanzung gegeben. Einen Hinweis auf diese hatten nur die ultrafeinen Spürnasen der Beamten des Einsatzdienstes Mitte-West entdeckt.

Wodurch die Gewächse akute Gefahr hätten verbreiten können oder inwiefern die hypothetische Plantage drohte, sich vom Tatort zu entfernen – den Staatsanwalt interessiert es nicht. Grad völlig wurscht ist ihm, dass laut Bundesverfassungsgericht die Gefahr im Verzug „mit Tatsachen begründet werden“ müsste. „Reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus“, heißt es im maßgeblichen Urteil. Weshalb es in Bremen länger dauert, den diensthabenden Amtsrichter anzurufen, als einen Hundeführer vom Zoll an den Einsatzort zu beordern – das wird erst gar nicht erörtert.

Uwe F. ist fassungslos. Natürlich schreibt er eine Beschwerde. Aber eben: Statt die formalen Mängel der Ermittler aufzulisten, empört er sich. „Das ist nicht tolerierbar“, schreibt er, mit drei Ausrufezeichen. „Was ist denn das Recht auf Unversehrtheit der Wohnung überhaupt wert, wenn es durch fadenscheinige Gründe jederzeit außer Kraft gesetzt werden kann?“ Doch das lässt die Generalstaatsanwältin lässig abtropfen: „Die Staatsanwaltschaft Bremen hat zu Recht die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgelehnt“, schreibt sie. Und unterzeichnet hochachtungsvoll – und cool wie ein Fisch.

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