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Portugiesischer Sänger José AfonsoDer Klang der Nelkenrevolution

Ihn bewegte Portugals Geschichte, Land und Stadt. Seine Lieder handeln von Diktatur und Revolution. Über die Wiederentdeckung José Afonsos.

Sein Werk verbindet mittelalterliche und zeitgenössische Dichter: Sänger José Afonso Foto: Mais5

Dass die Revolution nicht in der Glotze läuft, kann als ausgemacht gelten, in Portugal zumindest kam das Startsignal für den Umsturz aus dem Radio. Ausgerechnet ein katholischer Sender war es, der in der Nacht vom 24. auf den 25. April 1974 die Nelkenrevolution einleitete. Von 1933 bis 1968 hatte in Lissabon der Mussolini-Bewunderer António de Oliveira Salazar regiert, sein Nachfolger Marcelo Caetano konnte nicht verhindern, dass der Ständestaat Estado Novo und das portugiesische Kolonialreich in kurzer Zeit Geschichte sein sollten.

Geschichte geschrieben hat der 1929 in der Hafenstadt Aveiro geborene Komponist und Musiker José Afonso mit einem im Wechselgesang der südportugiesischen Region Alentejo komponierten Lied: „Grândola, Vila Morena“, „Grândola, braungebrannte Stadt“ bildete mit „E depois do Adeus“, „Nach dem Abschied“ von José Niza und Paulo de Carvalho den gesendeten Geheimcode zum Ausrücken der linksorientierten Armeegruppe Movimento das Forças Armadas.

Afonso, große Brille und sanfte Stimme, war im portugiesischen Fernsehen und Radio tabu, seine Platten allerdings gab es zu kaufen und seine Lieder waren bekannt, erinnert sich Helena Afonso, Tochter des Künstlers, im taz-Interview.

José „Zeca“ Afonso oder einfach nur Zeca, wie er auch genannt wird, hat in Portugal eine Bedeutung wie Serge Gainsbourg in Frankreich oder Bob Dylan weltweit, sagt der Musikliebhaber und -verleger Nuno Saraiva. Er hat das Label Mais 5 ins Leben gerufen, damit Afonsos im Zeitraum von vier Jahrzehnten entstandenen, aber lange vergriffenen Alben wieder ein Zuhause haben.

Elf Alben sollen erscheinen, die ersten vier liegen mittlerweile vor und machen auch haptisch und optisch etwas her. Saraiva konnte mit José Santa-Bárbara den Original-Coverdesigner der Platten gewinnen. Portugalreisende kennen den bildenden Künstler: Santa-Bárbara hat das Logo der portugiesischen Eisenbahn entworfen.

Gelernt und gelehrt in Mosambik

Als Einstieg empfiehlt sich das späteste Album: Das in Frankreich entstandene „Cantigas do Maio“ von 1971 kann als Kulminationspunkt von José Afonsos damaligen künstlerischen, sozialen und politischen Erfahrungen gehört werden. Der hier singt, hatte bereits als Schüler und Student in den (einstigen) portugiesischen Kolonien Angola und Mosambik gelebt, später dann als Geschichts- und Philosophielehrer wieder in Mosambik gearbeitet und den sich ab den sechziger Jahren zuspitzenden Unabhängigkeitskrieg erlebt. Die afrikanische Erfahrung hatte Afonso radikalisiert, sagt Helena Afonso.

Die ersten vier Alben

José Afonso: „Cantares do Andarilho“; „Contos Velhos Rumos Novos“; „Traz Outro Amigo Também“; „Cantigas do Maio“ (alle Mais 5/Broken Silence)

Dabei ist „Cantigas do Maio“ mit seinen eigenständigen Perkussionseinwürfen und Keyboardtupfern eine brüderlich-schwesterliche, regelrecht psychedelische Angelegenheit, auch dank der Experimentierfreudigkeit des Produzenten José Mário Branco. Der dezente Marschrhythmus am Anfang von „Grândola, Vila Morena“ beispielsweise ist das Geräusch von Fußstapfen auf einem Weg außerhalb des Studios.

Noch eher sparsam wirkt das an einem einzigen Tag im Jahr 1968, live im Studio aufgenommene Debütalbum Afonsos, „Cantares do Andarilho“. „Ähnlich Pete Seegers klingende Erkundung der USA nimmt das Werk eine Reise durch Portugals Regionen und ihre vielfältige Folklore vor“, meint Saraiva und fügt hinzu: „Da liegt die Grundlage der späteren Experimente.“

Ein Song nach der Feldarbeit

Afonso taucht in der Fachliteratur oft als Liedermacher auf, was nicht verkehrt ist, aber den vielen Kniffen auf seinen Albem nicht ganz gerecht wird. „José Afonsos ging vom Fado“, landläufig als die portugiesische Musik verstanden, „zur Folklore“, erläutert Saraiva, bevor er auf die zweite Veröffentlichung zu sprechen kommt. „Contos Velhos. Rumos Novos“ von 1969, ist ein Album zunehmender Klangfarben. Da ist beispielsweise „Oh! Que Calma Vai Caindo“: das A-cappella-Stück ist ein Song nach der Feldarbeit.

Saraiva nimmt an, dass Afonso der erste Musiker war, der das bekannte Volkslied in ein Aufnahmestudio brachte. Das Werk verbindet mündliche Überlieferungen, mittelalterliche und zeitgenössische Dichter, Stadt und Land und ist an einer Stelle von beängstigender Dringlichkeit: „Era de Noite e Levaram“ bezieht sich auf die nächtlichen Verhaftungen politischer Gegner in der Diktatur.

Ein regelrechtes Kontrasterlebnis muss für Afonso der London-Aufenthalt gewesen sein, der 1970 das Album „Traz Outro Amigo Também“ hervorbrachte. Carlos Correira, Gitarrist, nachdem Afonsos bisherigen Begleiter Ruiz Patro die Reise verwehrt wurde, sollte von den technischen Möglichkeiten schwärmen, die sie in der britischen Hauptstadt nach der Blüte des Psychedelic-Rock nutzen konnten. Anspieltipp: „Canto Moço“, eine poetische Hymne an die Jugend, Text und Musik José Afonso, der gerade einmal 57 Jahre alt werden sollte und dessen Name jetzt wenigstens ein Airbus der portugiesischen Fluggesellschaft TAP trägt.

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