Portugals Nationaltrainer Paulo Bento: Der Unterschätzte
Er ist kein großer Denker. Aber Paulo Bento ist der erste portugiesische Nationaltrainer, der Ronaldo zu einem Kollektivarbeiter werden lässt.
BERLIN taz | Als großer Denker vermag sich Paulo Jorge Gomes Bento nicht zu inszenieren. Vom kompakten Verteidigen, von der Bedeutung des Kollektivs und der Notwendigkeit des größtmöglichen Einsatzes ist beim Trainer der Portugiesen dieser Tage oft die Rede.
Stichwörter zwar, die bei der Avantgarde der Trainerzunft stets fallen, die sich aus dem Munde des so betont bodenständig gebenden Bento jedoch staubtrocken und altbacken anhören. Bento hat zweifelslos einen Hang zum Konservativen. Bei allen vier Spielen dieser EM ließ er dieselbe Startelf auflaufen.
Bei der Besetzung des Nationaltrainerpostens war er nur zweite Wahl. Der Wunschkandidat hieß José Mourinho. Bento traute niemand etwas zu. Nach der ersten EM-Partie gegen Deutschland nörgelten noch die Altnationalspieler Luis Figo und Rui Costa, für die Bento früher die Drecksarbeit im Mittelfeld machte, am zurückhaltenden Spiel der Portugiesen herum. Nun könnte Bento Historisches gelingen. Einen Titel, der nach dem 1:0-Erfolg gegen Tschechien und dem Einzug ins EM-Halbfinale in Reichweite liegt, hat noch kein portugiesisches Team gewonnen.
Ausgerechnet der dröge Disziplinprediger ist der erste portugiesische Nationaltrainer, der es versteht, den Narzissten Ronaldo so in seine Elf einzubauen, dass sowohl dem Ego des Stars als auch dem Team geholfen ist. In größter Harmonie rochierte bislang Ronaldo gemeinsam mit Nani und Helder Postiga im Angriff. Anders als früher sind die Südeuropäer aber auch ohne einen Ronaldo in Höchstform wettbewerbsfähig, wie die Partie gegen Deutschland bewies. Das eigentliche Prunkstück von Bento ist sowieso die Defensive.
Diejenigen, die Bento und Ronaldo als Gegensatzpaar begreifen, denken viel zu klischeebeladen. Ronaldo spielt seit Jahren nicht mehr so egozentrisch, wie ihm immer noch nachgesagt wird. Und Bento mag zwar ein großer Feind von Extravaganzen sein, weshalb er auch die eigenwilligen Stars Ricardo Carvalho und José Bosingwa aus der Nationalmannschaft verbannte.
Aber er ist wiederum nicht engstirnig genug, um nicht zu erkennen, dass Ronaldo gewisse Freiheiten eingeräumt werden müssen, damit sich sein Wert für das gesamte Team entfalten kann.
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